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Blauhelme auch in Kroatien

Zagreb akzeptiert Einsatz auf eigenem Territorium/ Zugeständnis an Serbien und die Bundesarmee  ■ Von Roland Hofwiler

Belgrad (taz) — Einer Stationierung von UNO-Blauhelmen in Kroatien steht nichts mehr im Wege. In einer seiner unzähligen Fernsehauftritte sagte der kroatische Präsident Franjo Tudjman am Donnerstag abend, sein Land werde nun auch den Einsatz von UNO-Truppen „inmitten seines Territoriums“ zulassen. Gestern wurde dieses Zugeständnis an die gegnerischen Kriegsparteien der serbischen Freischärler und jugoslawischen Bundesarmee in einer offiziellen Regierungserklärung bestätigt. Darin heißt es, man wünsche aber nach wie vor, daß die UNO ihre Truppen auch an die serbisch-kroatische Grenze schickt. Aber ausdrücklich gefordert wird dies von Zagreb nun nicht mehr. Man verweist diplomatisch lediglich darauf, sowohl die UNO wie die EG-Staaten hätten wiederholt versichert, gewaltsam herbeigeführte Grenzen nicht anzuerkennen. Doch gerade auf diese Absicherung der Kriegsbeute setzen serbische Politiker und die Generäle ohne Einschränkung.

Wer gestern die serbischen Zeitungen zur Hand nahm, konnte nur einen Grundtenor herauslesen: Die bisherigen kroatischen Grenzen existieren nicht mehr. Da das „faschistische Regime“ in Zagreb den Krieg gegen das serbische Volk angezettelt habe, so die Zeitung 'Jedinstvo‘ aus Pristina, müsse es die eigene Niederlage hinnehmen. Das „befreite“ Land gehöre nun Serbien. UNO- Truppen müßten diese „befreiten Gebiete“ absichern. Falls UNO-Soldaten jedoch auch an den „Pseudogrenzen Kroatiens“ stationiert werden, will Serbien sie als Besatzungsmacht ansehen und bekämpfen.

Nicht weniger deutlich wurde ein sogenannter Generalmajor Andrija Biorcevic, dessen „Exklusivinterviews“ in Belgrader Medien geschätzt werden: „Der Krieg wird erst dann beendet sein, wenn wir den Faschismus besiegt haben.“ Und der sitze von Vukovar, Osijek und der Drava (Drau) aufwärts. Es ist eine Interpretationsfrage, wie man diesen Satz verstehen will. Zum einen liegt Zagreb an der Drau, zum anderen entspringt der Strom in den österreichischen Alpen. Und in Wien, da sitzen nach Biorcevic ebenfalls Faschisten, die zusammen mit Deutschland ein Viertes Reich auf dem Balkan errichten wollen. Ein anderer Militär, General Marko Negovanovic, erklärte ungeschminkt, es müßten noch eine ganze Reihe von Orten in Kroatien „befreit“ werden, bevor man über Frieden verhandeln könne, so auch die Großstadt Osijek.

„Faschistenjagd“ ist in Serbien ein populärer „Volkssport“ geworden. Ein Beispiel: Stojan Cerovic, Sprecher der gesamtjugoslawischen Friedensbewegung, hatte mehreren ausländischen Medien kritische Interviews gegeben. Daraufhin setzte der Cetnik-Führer Vojislav Seselj auf Cerovics Kopf kurzerhand eine Belohnung aus: „Bringt mir diesen Serbenverräter und Faschisten, lebendig oder tot“, ließ Seselj verkünden. Cerovic hatte unter anderem aufgezeigt, daß zahlreiche Pazifisten und Angehörige von nationalen Minderheiten im Krieg gegen Kroatien an vorderster Front bewußt „verheizt“ wurden. So unter anderem der 46jährige Vorsitzende der Sozialdemokratischen Liga der Provinz Vojvodina, Nenad Canak, von dem seit einem Fronteinsatz jede Spur fehlt. Doch auch in Kroatien kommt den Politikern das Wort „Faschist“ leicht über die Lippen. Für Präsident Franjo Tudjman sitzen sie nicht nur in den Belgrader Schaltzentralen der Macht, sondern auch in den Reihen der kroatischen Opposition.

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