: „Schlechter kann man nicht spielen“
■ In einem denkwürdigen Match siegt Werder bei den desolaten Bayern mit 4:3
Unerfreulich hatte diese Woche für Sören Lerby begonnen, unerfreulich hörte sie auf. Am Montag war der Teamchef des FC Bayern wegen Steuerhinterziehung zu sechs Monaten Kanst verurteilt worden, am Samstag verloren seine bemitleidenswert schwachen Kicker mit 3:4 gegen Werder Bremen.
Während die Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, dürfte Lerbys Bewährungsfrist auf der Münchener Bank bald abgelaufen sein — wegen seiner mitunter haarsträubenden taktischen Kapriolen. Vor einigen Wochen ließ er gegen Dortmund ohne Libero spielen und raubte damit der ohnehin schwindsüchtigen Bayern-Deckung den letzten Halt. 0:3 wurde das Spiel verloren. Gegen Leverkusen ging ein Zwei-Tore-Vorsprung flöten, weil Lerby ausschließlich zittrigen Nachwuchsleuten die Abwehrarbeit übertragen hatte. Eine neue Variante gab es gegen Werder: Mit der Abseits-Falle sollte garbeitet werden, den Liberoposten bekam Christian Ziege (19). Ergebnis dieses gewagten Defensiv-Experiments: „Einfe einzige Katastrophe“ (Lerby).
Nach sieben Minuten schon ging es los. Wynton Rufer ließ mit einem simplen Trick seinen Widerpart Oliver Kreuzer aussteigen. 1:0 für die grün-weißen Gäste. Kurz darauf spielte Harttgen einen langen Paß auf Marco Bode, der nicht — wie von den Bayern kalkuliert — abseits stand. Trockener Schuß vorbei an Schumacher, 0:2.
Wütende Leuchtraketen aus der Bayern-Kurve, 18.000faches Hohngelächter auf den Rängen, ein kopfschüttelnder Kalle Rummenigge im verknautschten Trench. „Schlechter kann man gar nicht spielen“, fand der Stürmer-Star ruhmreicherer Bayern- Tage, der jetzt im Verbund mit Franz Beckenbauer den alten Glanz zurückzaubern soll: Beide wurden gerade zu Vizepräsiden des gebeutelten Clubs gewählt.
Kaum waren die Kicker nach der Pause auf das Grün zurückgekehrt, mußte Toni Schumacher schon wieder einen Ball aus dem Netz holen. Seine orientierungslosen Abwehr-Recken hatten aus der Ferne staunend zugesehen, wie Bremens Stefan Kohn mit einem schönen Drehschuß das 0:3 erzielte.
Auch Uli Borowka kam aus dem Staunen nicht heraus: „So schwach haben die gegen uns noch nie gespielt.“ Der rauhe Defensivmann schoß Werders viertes Tor, nachdem die Münchner plötzlich bedrohlich nahegekommen waren: In der 52. Minute hatte der eingewechselte Mazinho — Bayerns Bester — zum 1:3 getroffen, ehe Werders Torwächter Olli RTeck eine sensationelle Ein-Mann-Show inszenierte: ein Mazinho-Kopfball knallte an die Latte, platschte anschließend auf Recks Rübe und von dort direkt ins Netz! Das Eigentor des Jahres — Ollis Lieblingsplatz ist und bleibt die Kuriosentätenkiste. Danach schoß der emsige Mazinho noch ein Tor, aber an Werders Sieg änderte das nichts — 4:3 gewonnen. Während Manager Willi Lemke hernach darum bemüht war, die historische Dimension des Erfolgs deutlich zu machen — „das letzte Mal haben wir hier vor 23 Jahren gesiegt“ — schlichen die Münchner deprimiert aus der Kabine. Als letzter kam Jan Wouters (31), vor zwei Wochen als „Retter“ aus Amsterdam geholt. Ein furchtbares Spiel sei es gewesen, sagte der Holländer, der sich nahtlos an die grausige Leistung seiner Mitspieler angepaßt hatte. Was muß sich denn ändern bei den Bayern? „Stirnrunzeln, Schulterzucken: „Das muß der Trainer entscheiden, nicht ich.“ Ratlosigkeit am Ende eines denkwürdigen Matches. Holger Gertz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen