piwik no script img

Unterhaltungswertverlust

■ Felix '91 — Der Europäische Filmpreis, 3sat, Sonntag, 20.15 Uhr

Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit wird der Felix unter die europäischen Filmemacher geworfen, laut Ansagetext „ein symbolisches Dankeschön von Publikum und Kritikern an die Filmwelt“. Wenn die Angelegenheit so verstanden wird, kann man froh sein, daß Schlöndorffs Homo Faber keinen Preis abgekriegt hat — 117 Minuten gestohlene Lebenszeit verdienen nicht einmal einen warmen Händedruck.

Gebetsmühlenartig wurde er beschworen, der ominöse europäische Film, aber gleich der erste von den Kameras erfaßte Star, der mühsam dem Kleinwagen deutscher Fertigung entstieg, war Hollywood-Import Glenn Close. Ohne die kalifornische Kintopp-Kapitale läuft halt nichts, der Euro-Film schon gar nicht. Regie-Veteran Robert Wise kam über das große Wasser zu Besuch, um von einem mürb-missionarisch auftretenden Wim Wenders zu hören, daß die Organisation des europäischen Films nach langem Ringen nun so ähnlich heißt wie das US- amerikanische Pendant, nämlich European Filmacedemy.

Die Zeremonienmeister hinter den Kulissen dieser Veranstaltung sind nicht zu beneiden: Gleicht der Ablauf des Abends zu sehr der amerikanischen Oscar-Verleihung, wird ihnen Abklatsch vorgeworfen und die eigene Identität eingeklagt. Machen sie's anders, kommt unter Garantie die Kritik, der Festivität habe es an Glanz und Glamour gemangelt. In dieser Situation ist es schon ganz gleichgültig, was man auf die Bühne stellt. Folglich konzipierte man unbeschwert eine Show ohne aufgesetzte Großkotzigkeit. Eine zähnebleckend Flachtexte aufsagende Desirée Nosbusch-Becker und ein altklug dreinschauender, sich oftmals verhaspelnder und mehr als spröde wirkender Johannes Willms versagten kläglich im Bemühen um kurzweilige Moderation. Horst Buchholz hätte Szenenbeifall verdient, als er den buschbrauigen Willms als „Ansager“ abqualifizierte, sich selbst unterdessen durch ebenso unaufdringliches wie unverkrampftes Auftreten und lockeren Plauderton für künftige Großereignisse dieser Art als Conferencier empfahl. Zu wünschen wäre ihm dann nur, daß er bessere Autoren findet, denn was da an flauen Texten abgelassen wurde, war für eine europaweit ausgestrahlte Sendung desaströs.

In diesem Punkt heißt es von den Amerikanern lernen. Bei einer Oscar-Verleihung jedenfalls dürfte es kaum passieren, daß, wie Heinz Bennent, ein Pate mühsam nach Worten ringt, daß zwar die Namen der Preisträger, nicht aber ihre Filme genannt werden, oder daß Lena Stolze blöd als Marthe Keller angekündigt wird. Beinahe sympathisch waren dagegen die Peinlichkeiten wie Maruschka Detmers Lippenstiftabdruck auf den Wangen von Mehrfachgewinner Jaco van Dormael und das mißglückte Aufreißen der Umschläge, das im Laufe des Abends förmlich zum „running gag“ wurde. Für einen gut zweistündigen Fernsehabend mit Überziehungskredit indes ist der Unterhaltungswert denn doch zu gering. Das Filmvölkchen sollte sich überlegen, ob es im nächsten Jahr nicht die ganze Chose im kleinen Rahmen unter sich ausmacht. Herr Dittmeyer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen