: Vorbilder abgestaubt
■ HfK übergibt dem Focke-Museum historische Geschmacksschule in 600 Schubern
Eine lehrreiche Sammlung: Beispielhafte Kaminsimse, Stuhlbeine und Blumenvasen Foto: Heller
Nein, vorbildlich war sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht behandelt worden: Die Vorbildersammlung des 1884 gegründeten Bremer Gewerbemuseums fristete unbeachtet ihr Dasein in
hierhin bitte das
Foto mit der Reihe
von Buchrücken
einem Heizungskeller der Hochschule für Künste (HfK). Gestern übergab HfK-Rektor Jürgen Waller die Sammlung als Dauerleihgabe dem Focke-Museum.
Der spürnasige Direktor des Focke-Museums, Jörn Christiansen, hat die Sammlung erst wieder entdeckt. Sie birgt Anschauungsmaterial für Handwerker, Künstler und Architekten, für Steinmetze, Tischler, Kostüm- und Bühnenbildner. Die sollten in der Gründerzeit an antiken Vorbildern ihren Geschmack schulen, denn neureiche Gründer bevorzugten einen der Antike nachempfundenen Pomp. Doch bald beschränkten sich die Kunsthandwerker beim Sammeln nicht mehr nur auf die antike Welt.
Wer die Schuber aufschlägt,
entdeckt darin die ganze Welt in den ästhetischen Grenzen der Jahrhundertwende. Im Schuber mit der Inventarnummer 17 etwa finden sich unter dem Sammelbegriff Baukunst beispielhafte Abbildungen von gotischen Kaminen, Kanzeln und Taufbecken. Oder der Schuber Nummer 99a: Darin sind Bremer Grabmale der Jahrhundertwende dokumentiert bis hin zu einer Preisliste für Grabmalentwürfe; damals kostete ein Grabsteinentwurf eines Professors 82 Mark. Ein weiterer Schuber vereint Schiffe, Automobile und Hafenbilder. Aber auch Kostümen, Trachten, Bewegungsstudien und Menschen aus aller Welt galt die Aufmerksamkeit der damaligen Sammler.
Die insgesamt 600 inzwischen ziemlich verstaubten Schuber begann man vor der Jahrhundertwende, in der Gründerzeit, zu sammeln. 1884 wurde das Bremer Gewerbemuseum gegründet, das die verstreuten Sammlungen übernahm und weiterführte. Zur gleichen Zeit wurde in Bremen der Grundstein eines weiteren Museums gelegt: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beauftragte der Bremer Senat den Juristen und Senatssekretär Focke mit der Aufgabe, Bremer Altertümer zu sammeln.
Dabei fielen ihm Sammelobjekte oft ganz einfach durch Haushaltsauflösungen zu. Bereits vor 100 Jahren sorgten Abrißwellen für einschneidende Veränderungen des Bremer Stadtbildes, und so bekam der Senatssekretär Focke auch die Aufgabe, Häuser fotografisch festzuhalten und das Inventar nach Möglichkeit im Historischen Museum unterzubringen. Das Historische Museum bekam 1918 den Namen seines Gründers und heißt seitdem Focke-Museum.
1927 wurde das Gewerbemuseum mit dem Focke-Museum vereint. Aus der Kunstgewerbeschule entwickelte sich im Laufe dieses Jahrhunderts die Hochschule für Gestaltung, die erst 1988 den Status einer Hochschule für Künste erhielt. Insofern erinnert die wiederentdeckte Sammlung an den Werdegang und die Verwandschaft zweier bremischer Kulturinstitutionen, der HfK und des Bremer Landesmuseums für Kunst und Geschichte, des Focke-Museums. Beide sind letztlich aus den Geschmacksschulen der Handwerker hervorgegangen. Juan
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