Diepgen beschleunigte für Manfred Stolpe

■ Berlins Bürgermeister stimmte für umstrittenes Beschleunigungsgesetz, weil Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe ihn dazu gedrängt haben soll

Berlin/Potsdam. Zwischen dem Regierenden Eberhard Diepgen (CDU) und dem Brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) bahnt sich ein ausgewachsener Streit an: Der CDU-Stadtchef behauptet, daß er vom SPD-Landeschef gedrängt worden sei, im Bundesrat für das umstrittene Beschleunigungsgesetz von Bundesverkehrsminister Günter Krause (CDU) zu stimmen, hieß es gestern im Senat. Doch Stolpe dementierte im gleichzeitig tagenden brandenburgischen Kabinett Diepgens Aussage. Das sei »alles Quatsch«.

Wenn Stolpe mit seiner Behauptung recht hat, gerät Diepgen in eine Klemme. Er war vom CDU/SPD- Senat gehalten, sich bei der Abstimmung zum Beschleunigungsgesetz an Brandenburg zu orientieren. Brandenburgs Ministerpräsident hatte sich jedoch bei der Bundesratsabstimmung am vergangenen Freitag enthalten. Der Regierende Bürgermeister Diepgen hätte sich folgerichtig ebenfalls enthalten müssen. Weil in der großen Koalition die CDU für das Beschleunigungsgesetz war, die SPD aber dagegen, hatte man sich für die Orientierung an Brandenburg entschlossen.

Bisher gab sich die Berliner SPD mit Diepgens Erklärung zufrieden. Wenn er von Stolpe zur Zustimmung gebeten worden sein solle, dann habe er sich — mehr oder weniger — an Brandenburg orientiert, interpretierte Hans-Peter Stadtmüller, Fraktionssprecher der SPD, gegenüber der taz.

Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) hatte sich unverhohlen über Diepgens Alleingang gefreut: Noch am vergangenen Freitag begrüßte er Diepgens Abstimmungsverhalten. Die Fraktion Bündnis 90/ Grüne warf Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) dagegen vor, das Parlament belogen zu haben. Nagel hatte einen Tag vor der Bundesratssitzung behauptet, daß Berlins Regierungschef sich im Bundesrat enthalten werde.

Sollte Eberhard Diepgen weiterhin auf seiner Behauptung bestehen, dann wird Manfred Stolpe mit seinem Regierungspartner, dem Brandenburger Bündnis 90, wohl Schwierigkeiten bekommen. Der Ministerpräsident hatte sich im Bundesrat enthalten müssen, weil das ökologisch orientierte Bündnis 90 ein Veto gegen eine Zustimmung zum Beschleunigungsgesetz eingelegt hatte. Sollte der Ministerpräsident nun sozusagen durch die Hintertür den Regierenden Bügermeister zur von der Berliner Linie abweichenden Zustimmung überredet haben, hätte er seinen eigenen Umweltminister Matthias Platzeck (Bündnis 90) schlau ausgetrickst.

Minister Platzeck glaubt bisher dem Dementi seines Ministerpräsidenten. Er bedauerte gestern, daß Berlin sich mit seiner Zustimmung zum Beschleunigungsgesetz »nicht im Interesse der Brandenburger Koalition verhalten« habe. Dirk Wildt