: EG-Hürdenlauf nach Maastricht
■ Die wichtigsten Streitpunkte weiter ungelöst/ EG will Abschiebepolitik „harmonisieren“
Brüssel/Den Haag (dpa/afp/taz) — Was tun, wenn der Gipfel zu hoch scheint? Man macht den Berg kleiner. In dieser Kunst versuchen sich zur Zeit die Außen-, Innen-, Sozial- und Finanzminister der zwölf Mitgliedsländer, um wenige Tage vor dem EG-Spitzentreffen im niederländischen Maastricht zumindest einige Hindernisse auf dem Weg zu einer politischen wie auch Wirtschafts- und Währungsunion zu beseitigen.
In Brüssel tagten auch gestern die EG-Außenminister, um über die nach wie vor strittigen Punkte einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik zu verhandeln. Allerdings glaubt niemand mehr daran, daß die Minister ihren Regierungschefs für Maastricht ein Kompromißpapier mit auf den Weg geben können. Man zeigte sich, wie der französische Außenminister Dumas, schon zufrieden, weil das Verhandlungsklima nicht mehr so rauh sei. Der inhaltliche Dissens bleibt — vor allem in Gestalt des britischen Außenministers Douglas Hurd. Mehrere EG-Staaten wollen künftig über gemeinsame außenpolitische Aktionen mehrheitlich abstimmen. Die britische Regierung besteht jedoch darauf, daß solchen Schritten einstimmige Entscheidungen zugrunde liegen müssen. Wobei man sich noch nicht einmal klar darüber ist, wie eine „gemeinsame Aktion“ definiert werden soll. Auch im Bereich der Sozialpolitik lehnt die Regierung John Majors Mehrheitsentscheidungen strikt ab.
Um den Vertrag für eine politische Union nicht an der Kompromißlosigkeit Londons scheitern zu lassen, schlug Bundesaußenminister Genscher gestern vor, ein Teil der EG-Staaten könne schon jetzt vorangehen, Staaten wie Großbritannien „später folgen“. Die Niederlande sprachen sich — mit Rücksicht auf die britischen Bedenken — dafür aus, einzelnen Mitgliedsstaaten das Ausscheren zu ermöglichen, wenn durch ein gemeinsames Vorgehen deren „lebenswichtige nationale Interessen“ gefährdet seien.
Zu den wichtigsten Fragen, die bis zum Maastrichter Gipfel aufgeschoben werden, gehört vor allem die angestrebte gemeinsame Verteidigungspolitik. Streitpunkt ist die Frage, ob die Westeuropäische Union (WEU) — ein bislang weitgehend bedeutungsloses Verteidigungsbündnis von neun EG-Staaten — zum „militärischen Standbein“ der Union werden soll, wie es Bonn und Paris fordern. Großbritannien will dagegen die verteidigungspolitische Rolle der EG begrenzen.
Auch die von Spanien erhobene Forderung nach mehr Leistungen der reichen Länder für die südlichen EG-Staaten wird von den Staats- und Regierungschefs zu entscheiden sein. Die Deutschen würden die Diskussion um neue Finanzmittel für die ärmeren Staaten lieber auf kommendes Jahr vertagen, wenn ohnehin Beratungen über eine Neufassung der EG-Finanzen anstehen.
Vollzug meldeten dagegen die für Asylfragen zuständigen Minister der EG nach ihrem zweitägigen Treffen in Den Haag. Nach Angaben der niederländischen Ratspräsidentschaft einigte man sich darüber, in „offensichtlich unbegründeten“ Fällen das Verfahren abzukürzen und ihre Abschiebepolitik anzugleichen.
Nach diesen Vorschlägen soll unter anderem geprüft werden, ob die EG eine Liste sogenannter sicherer Länder aufstellen soll, in denen es keine politische Verfolgung gibt. Offen ist, ob eine Angleichung der Asylpraxis durch engere Zusammenarbeit der EG-Länder oder die Übertragung von Kompetenzen auf die EG erreicht werden soll.
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