: Florierende Waffenbrüderschaft
■ Rüstungskooperation mit Israel bereits seit 1967/ Nach der Deutschen Einheit führten Bundeswehr und BND 15 Waffenexporte durch/ Überlassung nur „leihweise“/ SPD fordert Stoltenbergs Rücktritt
Berlin (taz) — Vierzehnmal lief alles gut — erst beim fünfzehnten Mal flog der florierende Waffentransfer zwischen der Bundesrepublik und dem israelischen Geheimdienst Mossad auf. Die Hamburger Hafenpolizei beschlagnahmte am 26. Oktober Kriegsgerät, das der Bundesnachrichtendienst, als Landmaschinen getarnt, zum Abtransport durch den israelischen Geheimdienst bereitgestellt hatte. Das Ausmaß der Rüstungskooperation zwischen Bonn und Tel Aviv geht nun aus einem Bericht hervor, den Bundesverteidigungsminister Stoltenberg (CDU) dem Bundestag zugeleitet hat.
Dem 34seitigen Bericht zufolge verschoben die Verantwortlichen aus der Bundeswehrführung und dem Pullacher Geheimdienst Waffen und Waffensysteme der NVA bereits zwei Wochen nach der deutschen Einheit, am 17. Oktober 1990. Weder die politische Leitung der Bonner Hardthöhe noch das Bundeskanzleramt oder der Bundessicherheitsrat seien davon unterrichtet worden, obwohl dies bei Waffenexporten außerhalb des Nato-Gebietes zwingend vorgeschrieben ist.
Als Begründung führt der Stoltenberg-Bericht an: Die beteiligten Stellen sind davon ausgegangen, „daß eine leihweise Überlassung von Wehrmaterial zum Zwecke der technischen Auswertung keine Abgabe im Sinne eines Rüstungsexports sei“. Unter Hinweis auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen verzichtet der Bericht auf eine rechtliche Würdigung der Vorgänge. Festgestellt wird lediglich, daß die für die technische Auswertung von NVA- Material in Zusammenarbeit mit Israel zuständigen Stellen — gemeint ist der gemeinsame Koordinierungsausschuß von Hardthöhe und BND — bereits vor der ersten Lieferung am 17. Oktober eine politische Grundsatzentscheidung hätten herbeiführen müssen. Was nicht geschenen ist: „Ob und wieweit sich weitergehende Konsequenzen ergeben, ist ebenfalls nach Abschluß der parlamentarischen Beratungen zu entscheiden.“
Von den 15 Lieferungen wurde eine von der Luftwaffe durchgeführt. Geliefert wurden sechs Luft- Luft-Lenkflugkörper, die zur Bewaffnung des sowjetischen Kampfflugzeuges MIG-29 gehören, die auf Wunsch der israelischen Armee untersucht werden sollten. Wie bei allen anderen Lieferungen galt, daß die Bundeswehr an den Auswertungsergebnissen beteilgt werden wollte. Vier weitere Waffendeals gehen auf das Konto der Bundesmarine. Unter anderem erhielt Israel Schiff-Schiff- Lenkraketen zur wehrtechnischen Auswertung.
Nach dem 8. Februar 1991 wurden sämtliche Waffenexporte durch den BND abgewickelt. Insgesamt wurden 82 unterschiedliche Waffensysteme, Komponenten, Geräte und die verschiedensten Munitionsarten an Israel „ausgeliehen“: Luft-Luft- Raketen, Abschußrampen und Lenkflugkörper. Allerdings will der BND nur 30 Prozent der Waffenwünsche erfüllt haben, die über den israelischen Verteidigungsattaché angemeldet wurden.
Bereits im September 1990, berichtet Stoltenberg dem Bundestag, hätten die dringenden Wünsche der Verbündeten und Israels nach Kriegsgerät der früheren NVA zur technischen Auswertung vorgelegen. Agesichts der damaligen Situation am Golf hätten diese Wünsche an besonderem Gewicht gewonnen. Die Überlassungen wurden grundsätzlich mit der Maßgabe verbunden, daß dies nur „leihweise“ geschehe — der „Vollständigkeit halber“ führt der Bericht aber auch an: „daß es in dieser Phase nachrichtendienstlicher Kontakte auch Fälle gegeben hat, in denen der BND militärisches Gerät sowjetischen Ursprungs beschaffte, für das die israelische Seite die vollen Beschaffungskosten getragen hat“.
Der Stoltenberg-Bericht bestätigt auch, daß die deutsch-israelische Zusammenarbeit bei der Untersuchung „fremder“ Waffensysteme bereits seit 1967 besteht. Bis zur deutschen Einheit — und der damit Verbundenen Übernahme der Waffensysteme der NVA — sei die Kooperation im wesentlichen aber nur zum Vorteil der Bundeswehr gelaufen. Israel habe beipielsweise 1967 im Sechs- Tage-Krieg umfangreiches Rüstungsmaterial sowjetischer Herkunft erbeutet. Der BND durfte an dessen Auswertung frühzeitig dabei sein, der Bundesrepublik wurden damals unter anderem Kampf- und Schützenpanzer, Flugabwehrwaffen, unterschiedliche Arten von Flugkörpern, Elektronik, Luftfahrtgerät und Kleinwaffen überlassen. Ausweislich der Unterrichtung des Bundestages wurde die Kooperation „mit besonderer Diskretion auf allen Ebenen behandelt“. Eine der Glanztaten im Verteidigungsministerium: Anfang der 70er Jahre wurde „ein U- Boot-Geschäft unter Umgehung der rechtlichen Genehmigungswege über Großbritannien abgewickelt“.
Der SPD-Wehrexperte Manfred Opel hat aus der Rüstungskooperation mit Israel personelle Konsequenzen gefordert: Als politisch Verantwortlicher müsse nun Minister Stoltenberg seinen Hut nehmen. Die Kontrolle in seinem Ressort habe offensichtlich versagt, darüber hinaus sei auch gegen ausdrückliche Weisungen verstoßen worden. Wolfgang Gast
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