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Stasi-Vergangenheit entzweit Kirche

■ Kirche muß sich mit dem Problem der Stasi-Pfarrer auseinandersetzen/ Pfarrer Gartenschläger bisher spektakulärster Fall/ Kritiker: Keine automatische Vergebung

Berlin. Kontroverse Meinungen stehen in fast allen ostdeutschen evangelischen Landeskirchen hart gegeneinander, wenn es um die Aufarbeitung der Stasi-Problematik geht. In mehreren Berliner Gemeinden wurde nach der letzten Synode von einer »Spaltung der Kirche« gesprochen. Landeskirchen und Gemeinden schlagen unterschiedliche Wege im Umgang mit Mitarbeitern ein, die in Stasi-Machenschaften verstrickt sind. Überwiegend wird auf freiwillige Bekenntnisse gesetzt.

Spektakulärster Fall der jüngeren Zeit ist der Berliner Pfarrer Gottfried Gartenschläger, der seine 15jährige, ungewöhnlich umfassende Stasi-Zusammenarbeit zugegeben hat — allerdings erst nach Veröffentlichungen in einer 'Berliner Zeitung‘. Seine jetzige kleine Gemeinde Alt- Glienicke am südöstlichen Stadtrand äußerte zwar »Betroffenheit«, bot dem Pfarrer aber die Versöhnung an. In der Gemeinde sieht man eine versöhnliche Haltung dem Belasteten gegenüber als spezifisch »christliche Grundhaltung« an. Man wolle mit dem Pfarrer weiter zusammenarbeiten, es sei denn, die weiteren Überprüfungen durch die Gauck-Behörde ergäben neue Positionen.

Gartenschläger erklärte, er habe in der Zusammenarbeit mit der Stasi eine »reale Möglichkeit« gesehen, mit dem Staat zu sprechen, andererseits auch »Menschen den Rücken zu stärken«.

Inzwischen wurden Versöhnungsgeste und Ablehnung einer generellen Stasi-Überprüfung vielerorts stark kritisiert. Es könne keine »automatische Vergebung« geben, so Theologen. Die Rechtfertigung des Sünders verlange zuvor das Schuldbekenntnis — so zahlreiche Theologen. Den Opfern müsse Gerechtigkeit widerfahren. Der frühere Weimarer Studentenpfarrer Ehrhart Neubert erinnerte an die innerkirchlichen Disziplinargesetze, wonach Stasi-Verstrickung grundsätzlich schwerwiegender Vertrauensbruch sei und geahndet werden müsse.

Auf Gegenposition gehen etwa reformierte Gemeinden, die sich gegen eine »Gesetzlichkeit« in der Kirche wenden und auf das freiwillige Vertrauensgespräch hoffen. dpa

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