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Was zählt, sind Fakten-betr.: "Verteidigungsrituale", Kommentar von Wolfgang Gast, taz vom 28.11.91

betr.: „Verteidigungsrituale“, Kommentar von Wolfgang Gast, taz vom 28.11.91

Wenn ich mich als HUB-Student zum Thema Fink zu Wort melde, dann sollte das nicht als unreflektierter Akt der Solidarität oder als ideologischer Rechtfertigungsversuch mißverstanden werden. Was zählt, sind nicht Meinungen oder Vermutungen, was zählt, sind Fakten.

Tatsache ist zum Beispiel, daß Herr Fink nachweislich wiederholt Studenten der HUB gegenüber staatlicher Repression in Schutz genommen hat. Tatsache ist ferner, daß Herr Fink durch demokratische Wahl in sein Amt gewählt wurde und daß mehrfache Anfragen bei der Gauck-Behörde keine Hinweise über eine Stasi-Mitarbeit ergeben haben. Tatsache ist außerdem, daß die fristlose Entlassung Finks ausgerechnet wenige Tage vor der Rektorenwahl erfolgt ist, und zwar auf eine Art und Weise, die zu Bedenken Anlaß gibt. Wenn der Beschuldigte von seiner Entlassung aus der Zeitung erfährt und ihm keine Gelegenheit zur Anhörung gegeben wird, wirft das ein interessantes Bild auf das Rechtsstaatsverständnis der hierfür Verantwortlichen.

Eine moralische Vorverurteilung im Fall Fink wäre nicht nur bezeichnend für die bekannte Abwicklungsstrategie, mit der jede Form östlicher Eigenständigkeit unterdrückt werden soll, sie ist auch menschlich verwerflich. Auf der anderen Seite ist auch ein Vor-Freispruch nicht unproblematisch. Ich weiß nicht, ob Herr Fink „Dreck am Stecken“ hat. Solidaritätserklärungen aus den verschiedensten Kreisen, die Fink als integren Demokraten ausweisen, sind sicher ernst zu nehmen, ein Unschuldsbeweis sind sie so wenig, wie die fraglichen Aktennotizen seine Entlassung rechtfertigen. Klärung bringt hier allein ein rechtsstaatliches einwandfreies Verfahren, bis zu dessen Abschluß Herr Fink als unschuldig zu gelten hat. Wer das als bloßen Rechtfertigungsversuch versteht, der hat in meinen Augen ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat. Ob dahinter Methode steckt, kann ich nicht beurteilen; auch hier sollte man mit Anschuldigungen vorsichtig sein.

Tatsächlich zeigt das Verhalten des Herrn Wissenschaftssenators in vielen Fällen einige Ähnlichkeit mit der Rücksichtslosigkeit, mit der etwa die Treuhand in den neuen Ländern vorgeht. Herr Fink ist schließlich kein Einzelfall, und so fällt es mir „außerordentlich schwer, den Gedanken abzuwehren, daß mit der Person Heinrich Fink nicht diese Universität verurteilt werden soll.“

Wo sich im Einzelfall nach rechtsstaatlicher Prüfung persönliche Schuld ergibt, da muß auch gehandelt werden. Ich wehre mich aber dagegen, daß hier nur allzu gerne mit Pauschalverurteilungen gearbeitet wird. Mann sollte nicht zuletzt auch daran denken, welche Folgen solches Verhalten auf die Qualität der Hochschulausbildung (West-Unis sind ja abschreckendes Beispiel genug) und auf die Freiheit von Wissenschaft und Lehre hat. [...] Es geht in der Tat um ein Verteidigungsritual: die Verteidigung des Rechtsstaats. Rainer Döhle, (West-)Berlin

Ich stehe auf dem Standpunkt, es ist journalistisch nicht akzeptabel (und honorig), einen Artikel, der mit dem Satz endet „Wir müssen auch Indizienurteile fällen und ertragen“ (Konrad Traut, 30.11.91), und den Kommentar „Verteidigungsrituale“ von Wolfgang Gast ohne eine differenzierende Gegenmeinung abzudrucken.

Deshalb eine Frage: Inwieweit steht die Redaktion hinter den abgedruckten Kommentaren, das heißt könnten Sie Indizienurteile gegen Ihre Zeitung ertragen? Ole Schmiedel, Student,

(Ost-)Berlin

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