: CSFR: Zähes Feilschen um Steuern
Die tschechische Teilrepublik erreichte Subventionierung ihres Haushalts — und die Slowakei kassierte mit ab/ Tschechische Erbitterung über slowakische Bevorzugung ■ Aus Prag Sabine Herre
Mit einer Krisensitzung der führenden politischen Repräsentanten des Landes konnte in der Tschechoslowakei eine weitere Verschärfung der andauernden Verfassungskrise verhindert werden. Die Ministerpräsidenten der tschechischen und slowakischen Teilrepublik, Petr Pithart und Jan Carnogursky, einigten sich mit Staatspräsident Vaclav Havel und Finanzminister Vaclav Klaus auf eine einmalige „Subvention“ der nationalen Haushalte durch die Föderation in Höhe von 5 Mrd. Kronen (ca. 300 Mio. DM). Das Treffen war nötig geworden, nachdem die tschechische Regierung am Wochenende festgestellt hatte, daß sie im kommenden Jahr nicht in der Lage sein würde, die steigenden Sozialausgaben, die Verbesserung der Trinkwasserversorgung sowie die Neueinstellung von Polizeibeamten zu finanzieren. Da die 5 Mrd. Kronen, die etwa einem Prozent der gesamten Haushaltsausgaben entsprechen, gemäß der Einwohnerzahl beider Republiken verteilt werden, und die Slowakei wegen dieser unerwartenen Mittel gleichzeitig auf Ausgleichzahlungen aus der tschechischen Republik verzichten kann, werden die „Pro-Kopf“-Ausgaben für die Bevölkerung Böhmens und Mährens zum ersten Mal seit der „samtenen Revolution“ 1989 höher als in der Slowakei sein.
Bereits im letzten Jahr waren der Verabschiedung der drei Haushaltspläne langwierige Beratungen vorangegangen. Strittig war vor allem das Prinzip, das der Verteilung der gemeinsamen Einnahmen zugrundeliegen sollte. Dabei einigte man schließlich auf eine prozentuales Verhältnis von 35% für die Föderation, 40 für die tschechische und 25% für die slowakische Republik. Sie erhielt mit ihren 5 Millionen Bewohnern somit mehr als die Hälfte des doppelt so viele Einwohner zählenden tschechischen Landesteils.
Doch nicht nur in der prozentualen Benachteiligung sah die Regierung unter Ministerpräsident Petr Pithart nun den Anlaß zu ihren erhöhten Forderungen. Auch slowakische Politiker bestreiten nicht, daß die von den wirtschaftlichen Umbaumaßnahmen weitaus stärker getroffene Slowakei gerade genug Steuern für den 25%igen Anteil ihrer Republik zahlen, aus Bratislava jedoch darüber hinaus keine Gelder in den föderalen Haushalt fließen können. Dieser wird allein aus den Abführungen der böhmischen und mährischen Betriebe bestritten.
Und so wollte Pithart in erster Linie ein politisches Zeichen setzen. In diesen Wochen, in denen die slowakischen Politker immer größere Kompetenzen für ihre Republik fordern, sollte deutlich werden, daß die Tschechen für die Slowaken, und nicht — wie in Bratislava vielfach behauptet — die Slowaken für die Tschechen „draufzahlen“. Für diese ständige Mitfinanzierung des östlichen Landesteiles seien — so argumentierte der proföderale Pithart geschickt — die Tschechen jedoch nur bereit, wenn die Slowaken ihre Bereitschaft zum Erhalt des gemeinsamen Staates deutlich machen würden. Nach der Krisensitzung zeigte Pithart sich zufrieden, sechs seiner Minister lehnen die erzielte Vereinbarung jedoch ab. Dem tschechischen Haushalt fehlen weiterhin 600 Mio. Kronen. Weiterhin wird an einem „Nothaushalt“ für den Fall der Auflösung der tschecho-slowakischen Föderation gearbeitet.
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