Pils und Filz beim Jubiläum

■ 25 Jahre SPD-Herrschaft in NRW löst bei Feier Filzboom aus/ FDP verteilt Filztücher an die Besucher/ Grüne rollen Filzteppich aus und wollen Rau zum Bundespräsident küren

Düsseldorf (taz) — Als vor 25 Jahren die Ablösung des CDU-Ministerpräsidenten Franz Meyers in Düsseldorf durch die sozialliberale Koalition unmittelbar bevorstand, da eilte jemand von Bonn nach Düsseldorf, um die Genossen auf Bonner Linie zu bringen — und scheiterte. Am Sonntag, zur 25jährigen Jubiläumsfeier, war Willy Brandt wieder da — und dementierte: Es sei „ein Irrtum“, wenn behauptet werde, er, der gerade in Bonn mit Kiesinger die große Koalition geschmiedet hatte, habe die Genossen in Düsseldorf auch in ein solches Bündnis drängen wollen. Nun, andere Zeitzeugen berichten genau das. Als der bibelfeste Johannes Rau, schon damals im SPD-Fraktionsvorstand, vor dem Brandt-Besuch von einem Journalisten gefragt wurde, mit welchem Bibelspruch er denn dem Ansinnen von Brandt entgegentreten wolle, antwortete der junge Rau: „Kein Bibelwort, ich werde das Lied singen ,Spiel nicht mit den Schmuddelkindern‘.“ Als Rau diese Anekdote am Sonntag zum besten gibt, kommt das erste Mal so etwas wie Stimmung auf. Bis dahin war es eher eine Feier in Moll. Und das lag nicht nur an der Opposition, der Rau vorhielt, anläßlich des Jubiläums unter „Sodbrennen“ zu leiden und deshalb nur noch „mürrisch zu gucken“. Die schlechteste Laune hinterließ das Datum offenbar bei der CDU. Während die grünen und liberalen Parlamentarier alle zum Sozi-Pils griffen, ließ sich von der CDU-Führungsriege überhaupt niemand blicken. Statt dessen verteilten Jungchristen vor dem Parlamentsgebäude Postkarten, die einen von Farthmanns Regierungskritik sichtlich erschrockenen Rau zeigen. SPD-Fraktionschef Farthmann hatte im Vorfeld der Feier der eigenen Regierung eine „depressive Phase“ bescheinigt und einen Ministeraustausch gefordert. Die FDP verteilte am Sonntag an alle Besucher rote Filztücher. Darauf war ein Teil jener wichtigen Posten in NRW aufgelistet, zum Beispiel beim WDR, die die Sozis okkupiert haben. Da schwingt gewiß ein gutes Stück Futterneid mit, denn die schamlose Beutementalität kennt offensichtlich keine Parteigrenzen. Über die FDP- Altlasten in den Ministerien stöhnen die Sozis in Düsseldorf noch heute. Mit Filz operierten am Sonntag auch die Düsseldorfer Grünen. Auf einem 25 Meter langen roten Filzteppich, direkt vor dem Landtagseingang ausgelegt, konnten die Besucher eine „etwas andere Erfolgsstory“ des 25jährigen sozialdemokratischen Schaffens nachlesen. Ministerrücktritte, Untersuchungsausschüsse, Postenschiebereien und so manche Schmuddelgeschäfte kamen da erneut in Erinnerung. Die Spitzengenossen trugen es mit Fassung: Farthmann nahm die roten Filzpantoffeln mit, „denn die kann ich zu Hause gut gebrauchen“. Nur Rau mochte die von den Grünen überreichte Schärpe — Aufschrift: Bundespräsident — nicht anlegen. Raus Begründung: „Ich werde hier noch gebraucht, denn sonst kommt ihr wieder in den Landtag.“ Walter Jakobs