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Vom Untergrund in die Ausstellung

■ Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) stellt Graffiti als Teil der Berliner Jugendkultur aus

Schöneberg. Malerei oder Schmiererei? Spritzig ist sie jedenfalls — die Graffiti-Kunst. Das fand auch der Jugendsenator, der seit gestern preisgekrönte Sprühbilder ausstellt. Die auf Stoff gesprühten knallroten Münder oder grünen Marsmenschen, die an Schildkröten erinnern, wirken allerdings an den Wänden der Chefetage von Thomas Krüger (SPD) etabliert und angepaßt.

Was steckt hinter den Bildern? Kel, Odem und Sare, »Writer« der Graffiti-Gruppen »SOS-« und »EHS- Crew«, sind sich einig: »Wir haben unseren eigenen Stil und wollen nur zeigen, daß wir Künstler sind. Mit Politik hat das nichts zu tun.« Die Palette ihrer Motive reicht von comicartigen Tierbildern bis zu Schriftzügen (»tags«) aus ihren Namen und verschlüsselten Begriffen. »Man soll uns an unserer Handschrift erkennen«, sagt Kel. Kel ist Berliner Türke wie die meisten seiner Freunde. Mit 16 Jahren ist er der jüngste und der kleinste aus der Gruppe. Seine Mutter will ihn nachts nicht mehr aus dem Haus lassen. Dann will er mit der Dose in der Hand zeigen, wer er sei und was er »wirklich« könne.

Zu Hause gibt es für Kel »immer nur Ärger«. Da ersetzt seine Sprayer- Crew die Familie. »Dort kommt es aufs Zusammenhalten an«, sagt Kel. Besonders wenn es Schwierigkeiten mit der Polizei gibt. Sie würden sogar das Messer zücken, wenn Zivis der polizeilichen »SoKo-Graffiti« versuchten, sich in die Clique einzuschleichen. »Wenn wir einen erwischen, schneiden wir dem glatt ein Ohr ab«, gibt der Kleine mutig an.

»Musik und Tanz ist untrennbar mit Graffiti verbunden«, sagt ein siebzehnjähriger DJ. Er ist Mitglied der »Islamic Force«. Ihre Texte schreiben sie selbst und mixen sie mit den Raps aus dem Computer. »Die Texte richten sich gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit«, sagt der junge DJ. Doch politische Motivation in der Graffiti-Szene? Wie auch immer, der Umwelt schaden die Graffiti-Spritzer nicht mehr — die Dosen gibt's jetzt ohne das ozonkillende Treibgas FCKW. Ulrike Wojcieszak

Ausstellung: Am Karlsbad 8, 1/30, täglich von 9 bis 16 Uhr.

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