Über was brütet der Arbeitskreis Kalkar?

■ Ein atomares Zwischenlager soll in der Ruine des Schnellen Brüters von Kalkar entstehen

Kalkar (taz) — Die Bauruine des Schnellen Brüters in Kalkar soll nach Informationen des 'Kölner Stadt- Anzeigers‘ zukünftig für ein atomares Zwischenlager und ein konventionelles Öl- oder Gaskraftwerk genutzt werden. Diesen Entschluß faßte Ende September auf einer Sitzung im Haus der niederrheinischen Industrie- und Handelskammer in Duisburg der „Arbeitskreis Kalkar“. Dem Arbeitskreis gehören Vertreter der nordrhein-westfälischen Ministerien für Umwelt und Wirtschaft, aus dem Bundesforschungsministerium, der Stadt Kalkar und des Kreises Kleve sowie der Brüterbaufirmen RWE und der Siemens-Tochter Interatom an.

Laut Sitzungsprotokoll, das der taz vorliegt, waren sich die Mitglieder des Kalkar-Arbeitskreises „nach eingehender Diskussion verschiedenster Nutzungsmöglichkeiten“ darüber einig, „daß angesichts der Flächengröße nur eine kombinierte Nutzung in Frage komme. Favorisiert wurde dabei eine Kombination von konventionellem Kraftwerk mit Gas-/Ölbetrieb und die Errichtung eines nuklearen Zwischenlagers.“ Zuvor hatte der Arbeitskreis verschiedenste Nutzungen erwogen, vom Gentechnologie-Zentrum über „zukunftsorientierte Nuklearforschung“ bis hin zur Müllverbrennung.

Von der Landesregierung war gestern keine Stellungnahme zu den neuen Plänen für Kalkar zu erhalten — und dies, obwohl Vertreter des Wirtschafts- und des Umweltministeriums im Kalkar-Arbeitskreis offensichtlich ihre Zustimmung zu den Zwischenlager-Plänen gegeben haben. Auch ob die zuständigen Minister über das Vorgehen ihrer Beamten informiert waren, war nicht zu erfahren. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Friedhelm Farthmann erklärte dagegen auf Anfrage zu den Plänen: „Wir in Nordrhein-Westfalen sind nicht bereit, eine solche Perversion von Energiepolitik mitzumachen.“

Der Kalkarer Bürgermeister van Dornick (CDU) hatte erklärt, Kalkar werde eine Kombination von nuklearem Zwischenlager und konventionellem Kraftwerk „nachhaltig unterstützen“. Van Dornick will jedoch von der RWE als Eigentümerin des Brüters die Zusicherung, daß sie auf dem Gelände ein Kraftwerk errichten wird, was sie bisher abgelehnt hat. Außerdem solle sich die Landesregierung eindeutig für das atomare Zwischenlager aussprechen. Zwar wäre für die Genehmigung des Zwischenlagers das dem Bundesumweltminister zugeordnete Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter zuständig. Doch hätte bei der geplanten Einlagerung von schwach und mittelradioaktivem Atommüll die Landesregierung die Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung zu erteilen.

Derweil wird in Essen, bei der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), schon gerechnet. Die GNS wurde nach der Transnuklear-Affäre von Bundesumweltminister Töpfer zum wichtigsten deutschen Atommüll- Entsorgungs- und Verarbeitungsunternehmen bestimmt. Laut Protokoll der September-Sitzung des Arbeitskreises Kalkar sei die GNS nicht nur „sehr interessiert“ an einer Zwischenlager-Nutzung der Brüterruine, sie könne auch „innerhalb von drei bis vier Monaten den Kostenrahmen für ein solches Zwischenlager liefern“. GNS-Geschäftsführer Henning Baatz bestätigte, daß in seinem Unternehmen derzeit der „Kostenrahmen“ für die Lagerung atomaren Abfalls im Brüter berechnet werde. Der GNS-Mann gab sich optimistisch, einst ein Atommüllager „an diesem hervorragend gesicherten Standort realisieren“ zu können.

Schwach- und mittelradioaktiver Atommüll, wie er in Kalkar eingelagert werden soll, fällt in allen laufenden AKWs an. Mitte dieses Jahrzehnts wird es für diesen Müll keine Deponierungsmöglichkeiten mehr geben. Westdeutschen Atommüll wie geplant in Greifswald einzulagern, ist unmöglich. Die Genehmigung der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen für den als Atom-Endlager ausersehenen Salzstock „Schacht Konrad“ wird weiter auf sich warten lassen.

Die Düsseldorfer Grünen forderten gestern von der Landesregierung „ein grundsätzliches Nein zu weiteren Atommüllagern in NRW“. Die Landesregierung dürfe „keine Zeit mit der Suche nach Entsorgungslücken für die Atomwirtschaft verschwenden“. bm