: Nato diskutiert Out-of-area-Einsätze
■ USA drängen auf Änderung des Nato-Vertrages/ Minister verlangen zentrale Kontrolle sowjetischer Atomwaffen
Brüssel (afp) — Die Nato hat die Republiken in der Sowjetunion aufgefordert, eine „sichere, verantwortungsvolle und verläßliche Kontrolle“ der Atomwaffen durch eine zentrale Stelle zu erhalten. Dieser Frage billige die Allianz „größte Bedeutung“ zu, erklärten die Nato-Außenminister am Freitag zum Abschluß ihrer Herbsttagung in Brüssel.
Nach der vom Nato-Gipfel in Rom vor einem Monat beschlossenen Nato-Reform vereinbarten die Verteidigungsminister die nötigen Schritte für eine neue militärische Strategie. Statt großer Verbände setzt die Nato auf kleinere, hochbewegliche und multinationale Truppen. Sie sollen besser auf neue Gefahren, wie regionale Konflikte in Osteuropa, reagieren können.
Im Rahmen ihrer neuen Strategie wollen die Nato-Staaten offenbar auch bei militärischen Aktionen außerhalb des Bündnisgebiets zusammenarbeiten. Auf Antrag eines oder mehrerer Staaten könnte die Nato beschließen, den Partnerländern für Aktionen außerhalb Europas ihre Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Dies sei Teil der neuen, als geheim klassifizierten Militärstrategie, sagte der belgische Verteidigungsminister Guy Coeme. Vor allem die USA verlangten nach den Erfahrungen im Golfkrieg, Nato-Infrastruktur wie Flugplätze, Häfen, Depots und Pipelines für Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets nutzen zu können.
Im Gegensatz zu Coeme betonte Nato-Generalsekretär Manfred Wörner, es sei keine Entscheidung getroffen worden, ging aber nicht näher auf den Inhalt der Strategiedokumente ein. Er fügte hinzu, derartige Fragen müßten von „Fall zu Fall“ entschieden werden und bräuchten die Zustimmung aller Partner.
Besorgt über die Entwicklung in der Sowjetunion und die daraus erwachsenden Risiken für andere Teile Osteuropas, erweiterten die Verteidigungsminister das Angebot der Nato an alle osteuropäischen Ländern einschließlich der Sowjetunion, eine enge Zusammenarbeit einzurichten. Sie schlugen Ministertreffen mit ihren Kollegen aus Osteuropa vor. In der kommenden Woche treffen sich die Nato-Außenminister mit ihren Kollegen aus Osteuropa. Der italienische Verteidigungsminiser Virginio Rognoni forderte in Brüssel, daß die Nato das zuständige Forum für die Diskussion über die sowjetischen Atomwaffen sein müsse. Er sprach sich gegen die französischen Pläne aus, dieses Thema im Kreis der vier Atommächte USA, Frankreich, Großbritannien und Rußland zu erörtern. Der britische Verteidigungsminister Tom King habe diesem Vorschlag zugestimmt, sagte Rognoni. Allerdings habe King gleichzeitig betont, daß die Atommächte bei einem dringenden Fall „technische Konsultation“ führen müßten.
Die Nato hat die Maastrichter Beschlüsse der Europäischen Gemeinschaft, die Westeuropäische Union (WEU) zu einem europäischen Verteidigungsinstrument auszubauen, ausdrücklich gutgeheißen. In ihrem Kommunique, wird vor allem begrüßt, daß die WEU nicht isoliert zum Bündnis arbeiten soll, sondern sich beide Seiten künftig eng konsultieren werden. Die Erklärung der Nato-Verteidigungsminister lobt im einzelnen, daß die künftige EG-Verteidigungspolitik die Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach dem Nordatlantischen Vertrag respektieren wird. Befriedigend sei auch die Tatsache, daß die europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität in einem allmählichen Prozeß aufeinander aufbauender Phasen verfolgt wird und daß die WEU als Verteidigungkomponente der Europäischen Union und als Mittel entwickelt werde, parallel dazu den Atlantischen Pfeiler im Bündnis zu stärken. Ferner sei es wichtig, daß zwischen Nato und WEU Transparenz herrsche und allen europäischen Mitgliedern der Nato eingeräumt werde, an den WEU-Aktivitäten teilzunehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen