: „Privatkonkurs so keine Lösung für Betroffene“
■ SchuldnerberaterInnen kritisieren Gesetzentwurf der Bundesregierung / Reform stärkt Interesse der Banken
Überschuldung konzentriert sich zunehmend auf bestimmte Problemgruppen: Alleinerziehende, Arbeitslose. Sie schieben vor allem Versandhaus-, Miet-und Energieschulden mitsamt rapide steigendem Zinsenberg vor sich her. Schulden hat fast jede(r). Überziehungskredite sind Selbstverständlichkeit geworden - solange nicht irgendetwas dazwischen kommt: Krankheit, Trennung, Arbeitslosigkeit.
Schneller als erwartet werden die Konten und Kredite rigoros gekündigt. Mahnbriefe, Besuche vom Gerichtsvollzieher, Lohnpfändungen — „Überschuldung“ hat viele Gesichter. Sie bestimmt den Alltag mit Perspektivlosigkeit. 30 Jahre lang dürfen die Gläubiger säumige Zahler verfolgen. Unterdessen wachsen die Zinsen zu unüberwindbaren eigenen Schuldenbergen an.
Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung die „private Pleite“ regeln und Schuldnern über ein gesetzliches Verfahren neue Perspektiven geben. Ein entsprechender Referentenentwurf liegt vor. Doch die „Insolvenzrechtsreform“ ist für SchuldnerberaterInnen keine Lösung.
„Das gesamte Verfahren ist durch Bevormundung und Gängelei geprägt“, sind sich die Schuldnerberater in Bremen einig. Der Gesetzentwurf zur Einführung von Privatkonkursen ist nicht geeignet, die Lage überschuldeter Menschen zu bessern, meinen sie. Das Gesetz stärke im Gegenteil einseitig die Interessen der Gläubiger und Banken.
Sieben Jahre lang, so sieht der Gesetzesentwurf vor, müssen sich die Schuldner „wohlverhalten“, sobald sie ihren Konkurs angemeldet haben. Von Restschuld befreit würden also nur „redliche Schuldner.“ Außerdem werden die Betroffenen dann gezwungen, eine „angemessene“ Arbeit anzunehmen. „Zumutbare“ Tätigkeiten dürfen sie nicht ablehnen, steht in dem Gesetz. Gleichzeitig ist es den Gläubigern nach diesem Entwurf aber auch erlaubt, jederzeit „Zweifel“ am Wohlverhalten des Schuldners anzumelden und das Konkursverfahren so zum Platzen zu bringen. Damit werden alle Ansprüche umgehend wieder fällig. Schlußfolgerung der Schuldnerberater: Mit diesem Verfahren werden Schuldner wie Delinquente behandelt, wie unter Bewährungsprobe stehend — aber nicht wie Arme, bei denen Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit die normale Verschuldung in Überschuldung umschlagen ließen. Eine siebenjährige Wohlverhaltensperiode sei unzumutbar, nicht planbar und deshalb undurchführbar. Keine Familie könne ein Leben an oder gar unter der Pfändungsgrenze durchhalten. ra
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