: Das "System Rau"
■ Die SPD in Nordrhein-Westfalen tut immer nur das, was sowieso durchsetzbar ist
Das „System Rau“ Die SPD in Nordrhein-Westfalen tut immer nur das, was sowieso durchsetzbar ist
Wenn Joschka Fischer von den NRW-Sozis spricht, dann fehlt nie das Wort von den reformunfähigen „Betonköpfen“. Auch bei den Intellektuellen in der Bonner SPD-Baracke galten die jahrelang als „NRWlinge“ gescholtenen Sozis aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland nie viel. Der Ruf beruht auf handfesten Erfahrungen. Ganz gleich ob in der Nachrüstungsfrage, ob beim Streit um den Radikalenerlaß oder in der Antiatomdebatte, von NRW gingen die entscheidenen parteiinternen Diskussionsanstöße nie aus. In der Regel erhoben die Sozis dort immer dann das Wort, wenn es nichts mehr zu sagen gab. Das Bild von dem großen, starren Block, der das ratifiziert, was andere politisch zuvor ausgefochten haben, in den wichtigen Debatten der achtziger Jahre wurde es geprägt. Ein Mann trägt dafür wesentlich Verantwortung — Johannes Rau. Seit 14 Jahren Vorsitzender der Partei, seit 12 Jahren Ministerpräsident. Sich öffentlich mit Parteifreunden zu streiten, war seine Sache nie.
Die Düsseldorfer Opposition zeiht Rau wegen solchen Abtauchens seit Jahren der Führungsschwäche. Tatsächlich jedoch gehört das Schweigen zum „System Rau“ und begründet dessen Erfolg. Das System konzentriert sich auf das, was durchgesetzt werden kann, und das wird dann auch mit aller Konsequenz getan. Am Beispiel des Schnellen Brüters von Kalkar und dem THTR in Hamm wird dieser Politikstil deutlich. Während die SPD in Schleswig-Holstein großspurig vor der letzten Landtagswahl verkündete, innerhalb von acht Jahren aus der Atomenergie aussteigen zu wollen, mied die NRW-SPD im eigenen Land jede Fristfestsetzung. Gleichwohl arbeitete die Landesregierung nach dem Nürnberger Ausstiegsbeschluß zielstrebig auf das Ende der beiden Projekte hin — im Stillen. Öffentlich wurde immer nur nach „Recht und Gesetz“ geprüft — bis den Betreibern die Luft ausging. Ein Beispiel dafür, wie das „System Rau“ funktioniert.
Daß diese Führungsmethode nicht immer im Sinne Raus funktioniert, hat der Parteitag am Wochenende gezeigt. Inhaltlich scheiterte Schnoor und mit ihm Rau, der anfangs eine ähnliche Position vertreten hatte, klar. Persönlich ging Rau aus dem Streit aber relativ unbeschadet hervor, weil er den öffentlichen Kampf an der Seite von Schnoor, die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse ahnend, gemieden hatte. Das Risiko, auch bei massivem Einsatz zu scheitern, schien ihm zu hoch, das Pokern mit dem eigenen Amt nicht angemessen. Im Zweifelsfall verliert Rau deshalb manche Schlacht, doch um den politischen Krieg zu gewinnen, reichte das System Rau bisher immer aus. Walter Jakobs
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