: Ein Feuerfest
■ Ein Haus mit dem Namen Sonnenuhr/ Ausstellung im Deutschen Theater
Sonnenuhr berührt das Problem der »inneren« Zeit eines Menschen mit geistiger Behinderung, seiner eigenen Zeit. Jeder, der den Namen Sonnenuhr liest oder hört, verbindet mit ihm Bilder und Assoziationen. Der Begriff »kulturelles Zentrum« ist bezogen auf seinen Modellcharakter.
Das Konzept ist als Projekt in die Kulturinitiativen Kulturbrauerei Schönhauser Allee — ehemalige Schultheiß-Brauerei — eingebracht. Der Modellcharakter besteht vor allem darin, daß hier einmalig für Deutschland behinderte Menschen, insbesondere geistig Behinderte, gemeinsam mit Unbehinderten regelmäßig an einem zentralen Ort in allen Künsten arbeiten können.
Dieser Ort ist außerhalb ihrer Wohnung, Schule, Arbeitsstätte und erweitert damit ihren Wirklichkeitskreis. Sie treffen hier mit anderen Menschen zusammen und verlassen die Einsamkeit, in der viele leben. Die Behinderten begegnen den Unbehinderten, die Unbehinderten den Behinderten, und zwar in der Arbeit, sie entdecken den andern im künstlerischen Produkt, oder als Teilnehmer einer anderen Arbeitsgruppe finden sie Kontakte, oder im Café können Freundschaften entstehen. Ohne es verbalisieren zu müssen, lernen Unbehinderte von Behinderten und umgekehrt.
Im kreativen Arbeiten findet ein Zusammenführen verschiedener Künste statt. Während in anderen vorhandenen Projekten in Deutschland immer nur eine Kunstart angeboten wird, hat der Behinderte/Unbehinderte bei Sonnenuhr die Möglichkeit, sich in mehreren Künsten auszuprobieren und auszudrücken. Vielfach finden wir bei Menschen mit geistiger Behinderung Mehrfachbegabungen. So arbeiten in Sonnenuhr mehrere Teilnehmer sowohl in der Musik als auch auf bildnerischen Gebieten mit. Das Bedürfnis danach ist groß.
Zugleich bietet das Haus die Chance, daß die Künste zusammenfließen, daß ganzheitlich kreatives Erfahren möglich wird. Eine demokratische Gesellschaft sollte es als einen inneren Auftrag ansehen, die Bedingungen dafür zu schaffen, für Menschen, die das nicht allein können. Was den Unbehinderten gilt, gilt auch hier: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Klaus Erforth
Ausstellung im Deutschen Theater (DT) bis 5. Januar. Sonnenuhr e.V. präsentiert am So., 22. Dezember, um 11 Uhr im DT das Stück Prinz Weichherz von Georg Paulnickl. Am 5. Januar ebenfalls um 11 Uhr in den Kammerspielen Die Erde ist ein Ball , Singen mit Gerhard Schöne und Christian Rau.
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