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Der Koch als Liebhaber

„Frankie & Johnny“ — Garry Marshalls neue Love-Story  ■ Von Karl Wegmann

Michelle Pfeiffer hat Glück. Sie entspricht exakt dem populären Schönheitsideal, das uns jeden Abend in den Deo- und Light-Food-Werbespots als anbetungswürdig verkauft wird: gertenschlank, kleiner Busen, knackiger Arsch, Beine bis zum Himmel und ein ebenmäßiges Gesicht mit hohen Wangenknochen. Außerdem besuchte sie in ihrer Jugend die Schauspielklasse der Fountain-Valley- High-School und studierte später gar ein bißchen darstellende Kunst. Voraussetzung genug, um sich von Hollywood zum Star aufbauen zu lassen.

In John Landis' Kopfüber in die Nacht gab Pfeiffer sich nackt, in Tequila Sunrise konnte sie sich gegen zwei Macho-Liebhaber behaupten, als Mafiosi-Braut sah sie blaß aus und die Hexen von Eastwick spielten sie glatt an die Wand. Bei den Fabelhaften Baker Boys brauchte sie nur schön zu sein und ein bißchen zu trillern, und als sie im Rußland Haus Emotionen zeigen sollte, versagte sie völlig.

Logisch, daß Michelle Pfeiffer als Hauptdarstellerin für Garry Marshalls neue Love-Story verpflichtet wurde. Marshall ist der Mann, der im letzten Jahr mit seinem verlogenen Millionär-verliebt-sich-in-Hure- Märchen einen phänomenalen kommerziellen Treffer landen konnte, mit Julia Roberts — einer anderen schauspielerischen Dutzendware — als Pretty Woman. Erschwerend kam hinzu, daß Mr. Marshall sich vorgenommen hatte, Terrence McNallys Broadway-Hit Frankie and Johnny and the Clair de la Lune, eine moderne proletarische Liebesgeschichte, zu verfilmen. Auf der Bühne spielten Kathy Bates (Misery), zweifellos eine der größten lebenden US-Schauspielerinnen, und Kenneth Welsh (Freshman). Um so erstaunlicher, daß Frankie & Johnny ein sehenswerter Film wurde und zwar nicht trotz sondern wegen Michelle Pfeiffer.

Vielleicht liegt es daran, daß Theaterautor McNally auch das Drehbuch zur Leinwand-Adaption schrieb und dem sonst üblichen klebrigen Hollywood-Kitsch einen Riegel vorschob. Auch Al Pacino in der männlichen Titelrolle war hilfreich, und selbst die Nebendarsteller sind perfekt besetzt.

Frankie & Johnny ist auf den ersten Blick eine simple Liebesgeschichte. Doch es steckt mehr darin. Von der Einsamkeit wird erzählt, der Einsamkeit in einer Großstadt. Johnny wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und ist froh, daß er in „Nick's Apollo Café“ einen Job als Koch bekommt. Frankie arbeitet als Kellnerin in dieser etwas besseren Pommes-Bude. Sie hat längst alle Träume ausgeträumt, ist vom Leben enttäuscht, hat von Männern die Schnauze voll und wünscht sich einen Videorecorder. Johnny verliebt sich in sie, und setzt alles daran, an die unterkühlte Frankie heranzukommen. Doch auch als er es schließlich schafft, ist das noch längst nicht der Beginn einer wundervollen Freundschaft.

Marshall tappt nicht in die Falle des Melodrams. Immer wieder unterbricht er Frankies und Johnnys private Geschichte und zeigt, wie die Kollegen und Kolleginnen der beiden das Leben in den Griff zu bekommen versuchen. Er baut Gags ein, übertreibt es aber nicht. Frankie & Johnny wird dadurch zu einer der schönsten und ehrlichsten Leinwand-Liebes-Geschichten der letzten Jahre.

Das ist vor allem das Verdienst der beiden Hauptdarsteller. Al Pacino und Michelle Pfeiffer standen schon einmal vor acht Jahren in Brian De Palmas Scarface gemeinsam vor der Kamera. Diesmal trat Michelle Pfeiffer selbstbewußter auf: „Ich habe Al gewarnt, daß ich nicht mehr das stille, verschreckte Mäuschen von damals bin.“ Die Warnung hat gewirkt. Vielleicht ist es diesmal gerade ihre Schönheit, die zur Herausforderung wurde: Um glaubwürdig eine einfache Frittenverkäuferin zu verkörpern, muß sie gegen ihr Äußeres anspielen, mehr schauspielerisches Können in die Waagschale werfen, als eine weniger attraktive Kollegin. Jedenfalls gelingt es ihr, der vielschichtigen und komplizierten Persönlichkeit der Frankie Gestalt zu verleihen. Bleibt zu hoffen, daß auch andere Regisseure Michelle Pfeiffer als Schauspielerin in Zukunft ernst nehmen.

Garry Marshall: Frankie & Johnny. Mit Michelle Pfeiffer, Al Pacino u.a., USA 1991, 120Min.

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