: „Ich wollte Land, aber ich bekam Papier“
Auf der Hacienda der philippinischen Präsidentin Corazon Cojuangco Aquino ist die Agrarreform ein Papiertiger/ Ihre Farmarbeiter halten jetzt zwar ein paar Aktien mit minimaler Gewinnausschüttung, doch zugleich sind ihre Löhne gesunken ■ Aus Manila Sven Hansen
„Golfplatz geöffnet“, steht auf dem Schild am Eingang der 8.453 Hektar großen Hacienda Luisita — im Besitz der Familie der philippinischen Präsidentin Corazon Cojuangco Aquino. Wer nicht wegen der 18 Löcher des 70 Hektar großen Weltklasseplatzes des Luisita Golf &Country Clubs hierher kommt und trotzdem die erste Kontrolle passiert, gelangt nach einem Kilometer an den zweiten Posten. Links liegt das zur Hacienda gehörende Industriegebiet, rechts steht zweieinhalb Meter hoch das Zuckerrohr auf den Feldern. 5.000 Hektar sind damit bepflanzt.
Anfang November hat die Erntezeit begonnen. Gegen die Sonne vermummte Arbeiter schlagen das Zuckerrohr und stapeln es auf LKWs und Eisenbahnwaggons, die das Rohr zur Zuckermühle bringen. Arbeiterinnen sammeln die länglichen Blätter, die von Maschinen zu Ballen gepreßt werden. Damit wird die Mühle gefeuert, die drittgrößte des Landes. Aus einem ihrer Schornsteine qualmt schwarzer Rauch. An die 100 Fahrzeuge warten an der Straße, bis sie ihre Ladung bei der Mühle abliefern können. Im Hintergrund liegt auf einem mit Wachtürmen und Stacheldraht umzäunten Hügel Barrio Alto, wo sich, durch Bäume vor neidischen Blicken geschützt, die Residenz der Familie Cojuangco befindet. Wieder werden die Fahrzeuge inspiziert. Hier endet die geteerte Straße und geht in staubige Feldwege über, die die elf Dörfer der Hacienda verbinden. Von den 25.000 BewohnerInnen arbeiten 7.000 auf den Feldern, 1.200 in der Mühle. Hinter den Unterkünften für WanderarbeiterInnen kommt das Dorf Asturias: einfache Hütten, meist aus Holz, Bambus und Stroh, alle mit Strom, wenige mit Wasserpumpen.
Victor Cruz*) lebt hier seit 1952. Der 49jährige Farmarbeiter zeigt ein gelbes Papier mit grünem Logo: Zwei Personen, eine mit Strohhut, die andere mit Krawatte, reichen sich unter einen Zuckerstrauch die Hand. Das Papier ist eine Aktie der Hacienda. Cruz erhielt für das letzte Jahr 1.400 Anteile zu einem Peso, etwa 87 Mark. „Ich wollte Land, aber ich bekam Papier“, sagt er.
Vor ihrer spektakulären Machtübernahme 1986 hatte Corazon Aquino eine umfassende Landreform versprochen, die auch die Hacienda ihrer Familie einbeziehen sollte. Doch mit der Einlösung ihres Versprechens hatte es die neue Regierung, deren Mitglieder sich weiterhin auf die Landoligarchie stützen, nicht eilig. Bei einer Demonstration vor dem Präsidentinnenpalast, die an das Wahlversprechen erinnern wollte, im Januar 1987 starben 13 Menschen unter den Kugeln des Militärs. Erst im Juni 1988 verabschiedete das Parlament das Agrarreformgesetz. Ein weiteres Jahr verging, bis es auf Luisita angewendet wurde.
Das Agrarreformgesetz erlaubt die Umwandlung von Großgrundbesitz in Aktiengesellschaften, vorausgesetzt, die ArbeiterInnen sind einverstanden, statt Land Aktien, je nach Arbeitsleistung, zu erhalten. Davon machte die Familie der Präsidentin als erste Gebrauch. Der Wert des Landes wurde mit nur einem Drittel des Vermögens der Hacienda-Gesellschaft berechnet, obwohl diese weder Mühle, Golfplatz oder Industriegebiet umfaßt. Die ArbeiterInnen erhalten so nur ein Drittel der Aktien auf 30 Jahre verteilt. Die Cojuangcos halten die Aktienmehrheit und damit die Kontrolle.
„Ich habe gegen Aktien gestimmt. Seitdem habe ich keine feste Arbeit mehr“, sagt Ben Pomposa von AMBALUS, einer Organisation der HaciendaarbeiterInnen, die für Landverteilung kämpft. „Wir mußten vor den Augen der Aufseher abstimmen.“ Für Land waren da nur zwei Prozent. Francisco Varua, Vizepräsident der Holding des Cojuangco-Imperiums, sieht die Sache aus seinem klimatisierten Büro in Manilas Bankenviertel ganz anders. Für ihn sind Leute wie Ben Pomposa Unruhestifter. Die Agrarreform in Luisita sei schließlich unter Regierungsaufsicht erfolgt. „Eine Aufteilung der Hacienda nützt niemandem“, sagt Varua. „Niemand kann von zwei Hektar Zuckerland leben.“
Außer den Aktien, die erst nach zehn Jahren und nur an andere ArbeiterInnen verkauft werden dürfen, sieht die Reform die jährliche Auszahlung von drei Prozent des Umsatzes vor. „1990 habe ich 1.200 Pesos (75 Mark) bekommen“, sagt Carlos Roxas*). „Das reichte gerade, um die Schulden zu bezahlen. Es gibt nicht das ganze Jahr Arbeit.“
AMBALUS hat für Luisita ein Programm entwickelt, das die Umwandlung von einem Drittel der Fläche in Reis- und Gemüseäcker zur Selbstversorgung und weitere 3.300 Hektar kooperativ betriebenen Zuckeranbau vorsieht. Doch die Chancen zur Verwirklichung dieses Programms, räumt Pompose ein, sind gegenwärtig gering. Pompose berichtet, daß seit Einführung der Aktien die Zahl der zugeteilten Arbeitstage zurückgegangen ist. Danach richten sich aber Aktienanteil und Umsatzbeteiligung. Es würde jetzt verstärkt mechanisiert. Trotz Agrarreform sei das Einkommen der ArbeiterInnen rückläufig.
*) Name von der Redaktion geändert.
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