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Tanz der Teufel in der Flimmerkiste

■ „Das Omen“ eröffnet heute eine satanische Horror-Reihe auf Sat.1

Die Schlangen vor den Kinos waren mehrere hundert Meter lang. An einem frostigen Dezembermorgen entfachten bis zu 5.000 vor dem Eingang auf die Abendvorstellung Wartende kleine Feuer, um sich zu wärmen. In New York wurde ein Kinomanager und mehrere seiner Angestellten von hysterischen Eintrittskartenbesitzern mit dem Messer attackiert. Während der Vorstellung fielen regelmäßig drei bis vier Zuschauer in Ohnmacht. Laut 'New York Times‘ habe Der Exorzist gar eine Fehlgeburt im Kinosaal ausgelöst. Vor dem Hintergrund der ersten Ölkrise in den USA mit ihren aufkeimenden Zweifeln an Wissenschaft und Technologie sowie dem Schwund politischer Glaubwürdigkeit durch den zeitgleichen Watergate-Skandal bot William Friedkins Horrorfilm eine schauderhaft schöne Fluchtmöglichkeit in eine Mythenwelt. Der im Irak ausgegrabene Oberdämon Pazazu fährt in die zwölfjährige Regan (Linda Blair), die fortan ihre Umwelt mit Öbszönitäten belästigt und mit einem Kruzifix masturbiert, bis sie durch den heroischen Suizid eines jungen Exorzisten befreit wird — vorläufig. Regisseur John Boorman, der das Regie- Angebot für den Exorzisten ausschlug, realisierte 1977 zähneknirschend den zweiten Teil — Der Ketzer, in dem er mit einem großartigen Richard Burton und etwas feinsinnigerer Regie wenigstens einen Teil des reaktionären Potentials abfedern wollte, das den Stoff kennzeichnet. Denn für alles Böse, Verderbliche und Perverse, das im Amerika der frühen 70er schlummerte, war nur der Teufel verantwortlich: „Packt den Dämon!“ kreischten hysterische Zuschauer im Kino. Nicht wissen konnten die frenetischen Schreihälse, daß sie Opfer einer Manipulation waren. Unterhalb der Wahrnehmungsschwelle ließ Friedkin Bilder von Teufelsfratzen 1/24 Sekunde lang erscheinen.

Die ersten wirklich harten Streifen (Bloodfeast, 1963; Night of the living Dead, 1968) waren subversive No-Budget-Filme. 14 Millionen Dollar, das damals mit Abstand höchste Budget, das ein Film je verschlang, kostete die effektreiche Austreibung des Leibhaftigen aus einem Kind. Die Szene, in der Linda Blairs Kopf sich um 360 Grad dreht, wurde mit einer motorgetriebenen Puppe fingiert. Unter der feisten Milchgummi-Maske versteckte Schläuche sorgten für das Verspritzen von satanisch grüner Erbsensuppe. Unterstützt wurde die suggestive Wirkung der Effekte vom Geräuschteppich schreiender Schweine und in Kesselpauken eingesperrten Hamstern. Für authentische Kotzgeräusche mußte die Freundin eines Toningenieurs bis zum Erbrechen rohes Eiweiß hinunterwürgen. Der „beste Soundtrack, den es je in der Geschichte des Films gab“, befand Francois Truffaut. Die von Bernhard Wicki besorgte Synchronisation mußte vor dem Bundesstart zunächst zurück nach Hollywood auf den Prüfstand. Der finanzielle Erfolg hatte verschiedene Ursachen. Wegen moralischer Skrupel wurde der Film von einer betulichen Werbekampagne getragen, als würde man mit dem Weißen Hai für Fischstäbchen werben.

Peter Blatty, Autor der über elf Millionen Mal verkauften Buchvorlage, hatte da schärfer kalkuliert. Bevor er noch die erste Zeile niederschrieb, kassierte er eine halbe Million Dollar Vorschuß. Der Verlag wußte, was er tat. Bücher über Mystizismus, Geheimbünde und schwarze Messen boomten allerorten. Blattys Trivialroman, der 55 Wochen lang auf der Bestsellerlister der 'NY-Times‘ stand, beutete geschickt eine nationale Hysterie aus. 1974 glaubten 36Prozent der Amerikaner an Teufelsbesessenheit. Auch der US-Kongreß blieb nicht unberührt: „If you can't impeach Nixon, exorcize him!“

In dem 1975 gedrehten Epigonen- Film Das Omen verblaßt die Handlung zum narrativen Alibi für eine spektakuläre Enthauptungsszene, die die Amerikaner in die Kinos trieb, und die der deutschen Fassung selbstredend fehlt. Eine Glasplatte, die sich von einem rückwärtsrollenden Pritschenwagen löst, gleitet butterweich durch den Hals einen Fotografen. Blasse Fortsetzungen folgten 1978 und 1981. Manfred Riepe

Sendedaten: Heute, 22.25Uhr: Das Omen. 27.12.: Omen II. 3.1.: Omen III. 9.1.: Exorzist. 10.1.: Exorzist II.

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