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Mein Krieg

■ Ich bekenne: Ich hatte früher Kriegsspielzeug

Ja, die Zeiten sind vorbei, als ich an einem kleinen Graben hinter unserem Haus im Oktober 1973 die Panzerschlacht am Suezkanal nachspielte, als selbstgebastelte Panzer in Flammen aufgingen und Miniatursoldaten grausam zerschmolzen. Täglich verfolgte ich in der Presse — damals lebte ich in Chile — die Kriegsberichte, Namen wie der des damaligen israelischen Verteidigungsminister Moshe Dajan waren mir so vertraut wie anderen Beckenbauer oder Hanni und Nanni. Wenn ich heute Freunden davon erzähle, dann ist die erste Reaktion: Staunen, sogar Mißtrauen. Was? Du? Geschadet hat es wohl nicht. Nur eins ist geblieben: Die Kenntnis über sämtliche Spitfires, Messerschmidts, Heinkels oder den russischen Panzer T34. Dabei hatten meine Eltern — post-68- angehaucht — alles daran gesetzt, aus mir einen Friedensengel zu machen. Mit acht muß es gewesen sein, da kaufte meine Mutter mir auf einem Flohmarkt schließlich einen Schwimmpanzer. Das olivgrüne Teil wurde zwar nicht gleich zu Hause der Konversion anheim gegeben. Aber mein schlichtes Kindergewissen wurde doch soweit belastet, daß ich den Panzer eigenhändig zertrümmerte. Krieg dem Krieg. Später, mit zehn, siegte die Faszination über das schlechte Gewissen. Da wurde gekauft, was das Taschengeld hergab. Schiffe, Panzer, Flugzeuge — aber vor allem: Soldaten. Im Maßstab 1:72, Marke »Airfix«. Über 1.000 hatte ich bald zusammen. Darunter die grauen (!) Russen, die Deutschen mit Pickelhaube und die vor Waffen strotzenden US-Fallschirmjäger in grün. Da wurde vorzugsweise im Garten erst »eingekesselt« und dann »aufgerieben«. Zu Hilfe kamen Bücher wie die Wüstensöhne oder Der längste Tag. Einen Trost konnten meine Eltern aber mitnehmen: Gesiegt haben bei mir stets die »Guten«. Das waren entweder die Israelis oder die Alliierten. Unbewußte Auswirkungen der linken Erziehung? Mit 13 war mein bellezistisches Zeitalter zu Ende. In einem großen Showdown verbrannte ich alles. Stilgerecht beerdigte ich die Soldaten in einem Massengrab gleich hinterm Haus. Dort müssen sie noch heute liegen. 11.000 Kilometer von hier, unter chilenischer Sonne. Severin Weiland, heute 28

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