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Wer erhält den Sitz im Sicherheitsrat?

■ Die westlichen Ratsmitglieder wünschen Rußland als Nachfolgerin der Sowjetunion

New York (dpa) — „Wenn die Sowjetunion nicht mehr existiert und keine Entscheidung über ihren Sitz als eines der fünf ständigen Mitglieder im Rat getroffen ist, steht die UNO vor einer Verfassungskrise“, sagte der auf UNO-Fragen spezialisierte Völkerrechtler Richard N. Gardner: „Nicht nur das — die Büchse der Pandora wird geöffnet“, und die Forderung nach ständiger Mitgliedschaft würde von einer Reihe neuer Länder erhoben werden.

Der britische UNO-Botschafter Sir David Hannay, der den Vorsitz am 1. Januar routinemäßig von seinem sowjetischen Kollegen Juli Woronzow übernimmt, kann nach der Charta nicht ein Gremium leiten, das plötzlich nur noch 14 statt 15 Mitglieder und nur vier statt fünf ständige Mitglieder mit Vetorecht hat. Der Sicherheitsrat ist nur beschlußfähig, wenn alle Mitglieder anwesend sind und abstimmen.

Die verbleibenden ständigen Mitglieder — die USA, China, Großbritannien und Frankreich — möchten eine Charta-Änderung mit Bezug auf den Sicherheitsrat gegenwärtig vermeiden. Sie würden eine Konstruktion bevorzugen, nach der Rußland einfach als „Kontinuum“ der Sowjetunion die UNO-Mitgliedschaft und den ständigen Sitz im Sicherheitsrat übernimmt. „Es würde sich um denselben Staat unter neuem Namen und in neuen Grenzen handeln“, sagt Gardner.

Dafür gibt es einen, wenn auch umstrittenen, Präzedenzfall: Britisch-Indien hatte 1945 zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen gehört. Als es 1947 unabhängig wurde, blieb Indien trotz seines neuen Namens und trotz der Abspaltung Pakistans UNO-Mitglied. Damals wurde das Prinzip des Kontinuums in der UNO eingeführt.

Das „Commonwealth“, das die Republiken im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion anstreben, kann den Sicherheitsratssitz nach allgemeiner Überzeugung nicht übernehmen: Es wird keine Zentralregierung geben, und nach der UNO-Charta können nur Länder und nicht internationale Organisationen UNO-Mitglieder sein. Ein Wechsel zwischen den Republiken, ebenfalls ins Spiel gebracht, ist politisch keine annehmbare Lösung: Schon jetzt zeigt sich, daß dort sehr unterschiedliche Positionen zu weltpolitischen Fragen vertreten werden.

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