: Frankreich verstärkt Truppen im Tschad
■ Getreue des ehemaligen Diktators Hissein Habre sind aus Niger in den Tschad eingedrungen/ Regierung meldet Erfolge/ Ein Jahr nach Habres Sturz ist der Tschad vom Frieden noch weit entfernt
Berlin (taz) — Wieder herrscht Krieg im Tschad, und wieder kommen französische Truppen einem bedrängten afrikanischen Regime zu Hilfe. Seit gestern werden die etwa 1.000 permanent im Tschad stationierten französischen Soldaten durch 450 weitere verstärkt. Offiziell sollen die aus Gabun, Zentralafrika und Toulouse eingeflogenen Einheiten zusammen mit vier Jaguar- Jagdbombern die im Tschad lebenden Franzosen schützen — und offensichtlich sollen sie auch der tschadischen Armee im Kampf gegen eine Rebellengruppe beistehen, die zur Jahreswende aus dem benachbarten Niger über die Grenze einfiel.
Bei den Rebellen handelt es sich um ehemalige tschadische Soldaten, die nach der Machtergreifung Idriss Debys im Dezember 1990 das Land verließen. In einem Blitzkrieg hatte der „Warlord“ Deby damals die Hauptstadt N'Djamena eingenommen und den vorherigen Präsidenten Hissein Habre gestürzt. Frankreich, langjähriger Unterstützer Habres im Krieg gegen Libyen, hatte damals in einem Anflug von Opportunismus den als prolibysch verschrieenen Deby ungehindert an die Macht gelangen lassen — Habre packte die Koffer und floh mit dem tschadischen Staatshaushalt nach Senegal, wo er im Luxusexil lebt. 5.000 seiner Soldaten flüchteten nach Niger und ließen sich in der Gegend von Nguigmi nieder, einem kleinen Grenzdorf unweit des Tschad-Sees. Im Oktober hatte Niger die ungebetenen Gäste erfolglos aufgefordert, das Land zu verlassen.
Die am Mittwoch von den Rebellen eingenommene Stadt Bol wurde inzwischen von der tschadischen Armee wieder zurückerobert. Zuvor hatten, so das tschadische Kabinett, die vom früheren „diktatorischen Regime angeheuerten Angreifer“ ihren Anmarsch auf N'Djamena angekündigt, wo sich am Donnerstag Panikstimmung verbreitet hatte: Märkte wurden geplündert und Autofahrer überfallen, berichtete der französische Rundfunk.
Den Bewohnern der Hauptstadt ist die Habre-Diktatur noch in frischer Erinnerung. 10.000 Menschen wurden in den acht Jahren der Diktatur zu Tode gefoltert oder hingerichtet (taz vom 5.8.91). Die Demokratie, die Deby nach seiner Machtergreifung versprach, läßt jedoch auf sich warten. Nach über zwanzig Jahren blutiger Kriege mit französischer und libyscher Beteiligung ist die tschadische Gesellschaft hochgradig militarisiert, zersplittert in bewaffnete Banden unter verschiedensten ethnischen und politischen Vorzeichen. Die 40.000 Mann starke tschadische Armee soll bis Ende 1992 um die Hälfte verkleinert werden — mit französischer Reintegrationshilfe in Höhe von 30 Millionen DM. Doch eine gesellschaftliche Befriedung ist nicht zu erkennen. Seit einigen Monaten häufen sich bewaffnete Konflikte in verschiedenen Landesteilen.
So führte Deby Mitte Oktober mitten in der Hauptstadt Krieg mit seinem Innenminister Maldom Bada Abbas, der des Putschversuches bezichtigt und mitsamt seiner Familie verhaftet wurde. Er gehört zum Volk der Hadjerai, das zusammen mit den Zagawa — dem Volk Idriss Debys — mit am meisten unter dem Habre-Regime zu leiden hatte. Seit Oktober wird auch von staatlichen Übergriffen gegen die Hadjerai-Bevölkerung im Südosten des Tschad berichtet. Im Westen haben sich Zagawa-Hirten bewaffnet, wohl wissend um die staatliche Protektion, die sie nunmehr genießen. Auch das einst libysch besetzte Tibesti-Gebirge im Norden war vor einigen Monaten Schauplatz von Unruhen.
Offenbar sehen die Parteigänger Habres, die sich in einer „Bewegung für Demokratie und Entwicklung“ unter dem ehemaligen Habre-Berater Gukuni Get sammeln, die Gelegenheit für ein Comeback günstig. Der Zeitpunkt der jetzigen Auseinandersetzungen hängt wohl auch damit zusammen, daß die französische Autorallye „Paris-Cap“, die von Libyen durch Afrika nach Kapstadt zieht, sich gegenwärtig im Tschad befindet. Ausgerechnet von Nguigmi, Stützpunkt der Rebellen in Niger, wollte sie am Mittwoch nach N'djamena gelangen. Die 213 teilnehmenden Wagen und Motorräder mußten unter französischer Militäreskorte in die Hauptstadt geleitet werden — angeführt von einem gepanzerten Hubschrauber, der einst Nicolae Ceausescu gehörte. D.J.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen