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Israel bringt Verhandlungstisch ins Wackeln

■ Nach der angekündigten Ausweisung von zwölf Palästinensern aus den besetzten Gebieten, hat die palästinensische Delegation ihre Abreise zu den Friedensgeprächen nach Washington verschoben

Jerusalem (afp/wps/taz) — Die Ausweisung von zwölf Palästinensern aus den von Israel besetzten Gebieten gefährdet die Fortsetzung der bilateralen Nahost-Friedensgespräche in Washington. Die palästinensische Delegation für die zweiseitigen Nahost-Friedensgespräche will ihre Abreise zu der für kommenden Dienstag angesetzten neuen Verhandlungsrunde verschieben, nachdem in anderen Palästinenserkreisen zunächst sogar von einem Boykott die Rede war. Wie ein Delegationssprecher gestern vor Journalisten in Ost-Jerusalem mitteilte, wird die Teilnahme wegen der von Israel angekündigten Deportation von zwölf Arabern aus den besetzten Gebieten „suspendiert“.

Eine endgültige Entscheidung über eine Fortsetzung der für die kommende Woche geplanten Verhandlungen mit Israel müsse jetzt „die legitime politische Führung“ der Palästinenser treffen, wurde nach mehrstündigen Beratungen weiter erklärt. Dies ist nach Meinung der Delegierten die PLO-Führung in Tunis, die „ihre Entscheidung rechtzeitig bekanntgeben“ werde.

Die Entscheidung der Schamir- Regierung, die ein Armeesprecher gestern morgen in Tel Aviv bestätigte, wurde von den Regierungen der USA und Frankreichs sofort kritisiert. Israel hat in den vergangenen vier Jahren bereits 66 Palästinenser aus den besetzten Gebieten ins benachbarte Ausland abgeschoben.

Die jordanische Delegation wird wie vorgesehen heute zu den Nahost- Friedensverhandlungen nach Washington reisen. Allerdings drängt Jordanien nun die USA, Druck auf Israel auszuüben, um die Ausweisungen zu verhindern. Die US-Regierung hatte in der Vergangenheit gegen Ausweisungen scharf protestiert und sie als Verletzung internationalen Rechts bezeichnet. PLO- Chef Arafat appellierte bei einem Treffen mit dem niederländischen, portugiesischen und britischen Botschafter in Tunis an die EG, Israel dazu zu bewegen, die Ausweisung zurückzunehmen.

Sollte der Deportationsbeschluß ausgeführt werden, würde die größte Gruppe von Palästinensern seit dem Januar 1989 ausgewiesen werden. In der der oppositionellen Arbeiterpartei nahestehenden Presse werden die Deportationen als Zugeständnis der Regierung Schamir an die Siedler gewertet. Für die Siedler, so die Tageszeitung 'Davar‘, seien die Deportationen ein „Wunderheilmittel“ sowie ein Instrument für die Lösung demographischer Probleme. 'Davar‘ wies auch darauf hin, daß der Beschluß, Palästinenser zu deportieren, bereits vor zwei Wochen im Einverständnis mit Ministerpräsident Schamir und Verteidigungsminister Arens getroffen worden war. Angesichts der bevorstehenden Friedensgespräche in Washington wurde jedoch beschlossen, noch einige Tage abzuwarten.

Sofort nach dem Mord an einem Siedler im Gazastreifen bei Dir el Ballah am Mittwoch habe Verteidigungsminister Arens Anweisung gegeben, ihm Vorschläge für Deportationskandidaten zu unterbreiten. Nichtsdestotrotz kritisierten israelische Siedler in einer Erklärung den Ausweisungsbefehl als „ungenügend“ und verlangten massivere Deportationsaktionen.

Bei den von der Ausweisung bedrohten Palästinensern handelt es sich nach Informationen aus Kreisen der Anwaltskammer im Gazastreifen unter anderen um die Journalisten Ihab Mohammed Ali el Askar und Marwan Hassan Affane, den ehemaligen Direktor einer technischen Schule, Rafat Osman Najjar, der sich in Administrativhaft befindet, sowie Sami Ali Abu Sam-Hadane, seit 1985 immer wieder in Adminstrativhaft genommen. Fünf der betroffenen Palästinenser werden der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) von George Habasch, vier der Fatah, zwei der Hamas und einer der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) zugerechnet. Die Palästinenser können eine militärische Berufungskommission und den Obersten Gerichtshof anrufen, um die Entscheidung rückgängig zu machen, was in der Praxis jedoch nie zum Erfolg geführt hat.

Als Affront muß in Washington nicht nur der Ausweisungsbeschluß, sondern auch der am Donnerstag in der Knesset gefaßte Haushaltskompromiß gewertet werden, der unter anderem vorsieht, weitere 5.500 Häuser für jüdische Siedler in den besetzten Gebieten zu errichten. US- Präsident Bush hat den Bau weiterer Siedlungen mehrfach kritisiert und als Gefahr für den Friedensprozeß im Nahen Osten bezeichnet. Washington hat mehr oder weniger deutlich die Zusage von Kreditgarantien für zehn Milliarden Dollar zur Integration meist sowjetischer Immigranten davon abhängig gemacht, daß die Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten eingestellt wird.

Sowohl jüdische Organisationen in den USA als auch der israelische Botschafter in Washington haben die Schamir-Regierung gewarnt, die US-Kreditgarantien würden ausgesetzt, falls der Bau von jüdischen Siedlungen fortgesetzt würde. Im israelischen Kabinett scheint man sich der Loyalität des Weißen Hauses allerdings weiterhin so sicher, daß man in Erwartung amerikanischer Garantien die ersten zwei Milliarden bereits im Haushalt verplant hat. awo

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