Die verlorene Volleyball-Tochter

■ Beim Bremer Turnier kehrte Beate Bühler, ehem. Paris, ins Bundesteam zurück

Als alle jubelten, saß sie traurig auf der Auswechselbank: Beate Bühler, 27, beim Bremer Volleyball-Nationencup erstmals wieder für Deutschland auf dem Parkett. Tatenlos hatte sie zusehen müssen, wie ihre Kolleginnen gegen die Niederlande einen 0:2-Satzrückstand noch in einen Sieg umwandelten.

Am Vortag, gegen Rumänien, war den deutschen Damen dieses Kunststück schon einmal gelungen. Beate Bühler, die vier Jahre für Racing Paris gespielt hatte, ehe sie zu Saisonbeginn nach Tübingen heimkehrte, war beste Spielerin auf dem Feld gewesen — bis eine alte Knieverletzung aufbrach und ihr Comeback vorzeitig beendete. Mal ganz oben, dann wieder unten — das Bremer Turnier spiegelte die Bühlersche Karriere.

Am Anfang war der Erfolg. Mit dem SV Lohhof gewann Beate Bühler Titel zuhauf, schlüpfte 320 mal ins Trikot der Nationalmannschaft und nahm mit ihr an allen Großveranstaltungen teil. Die Bilanz könnte noch eindrucksvoller aussehen, wenn die eigenwilige Sportlerin auf ihren Frankreich-Trip verzichtet hätte: 1988 hatte Bundestrainer Andrzej Niemczyk seiner gerade nach Paris abgewanderten Elevin einen Stammplatz auf der Zuspieler-Position versprochen. Einzige Bedingung: Rückkehr in die Bundesliga. Beate Bühler verschmähte den Deal, schmetterte weiterhin in Paris und durfte fortan nicht mehr für die Bundesrepublik unters Netz.

„Ich bin damals nicht zurückgetreten, wie immer behauptet wird“, sagt die blonde Volleyballerin, „aber die haben gesagt, daß ich keine Chance mehr bekomme, solange ich im Ausland bin.“ Noch heute steht sie hinter ihrer Entscheidung für Paris — Sport ist schließlich nicht alles: „Ich habe in Frankreich in meinem Beruf als Übersetzerin gearbeitet, das Land kennengelernt, mich persönlich weiterentwickelt — darauf hätte ich nicht verzichten mögen.“

Wahrscheinlich wäre sie noch immer jenseits des Rheins, wenn sie nicht im Mai '89 jene fatale Verletzung erlitten hätte, die sich beim Bremer Turnier so unangenehm in Erinnerung brachte: Ein Kreuzbandriß im linken Knie schien die Fortsetzung der Karriere unmöglich zu machen; mit der ihr eigenen Zähigkeit kämpfte sie sich aber doch noch einmal heran. „Es war ein wunderbares Gefühl, wieder das alte Leistungsvermögen zu erreichen“, sagt Beate Bühler, die in jenen harten Wochen einen Eindruck davon bekam, „wie schnell Schluß sein kann mit dem Sport“.

Schluß war für sie in Paris. Während ihrer Abstinenz hatte Racing zwei neue Ausländerinnen verpflichtet — als die Deutsche wieder fit war, war der Stammplatz weg. Also schnürte Beate Bühler noch einmal ihr Bündel und machte sich Richtung Bundesliga auf. Seit Saisonbeginn ist sie wieder im Schwäbischen, bei der TSG Tübingen. Ganz in der Nähe hat der TuS Stuttgart seinen Sitz, in dem Beate einst das Schmetterhandwerk er

hierhin bitte das

Foto mit der

Sportlerin

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lernt hat. Das Schwabenland als Ausgangs- und Endpunkt einer wechselvollen Volleyballkarriere? „Das könnte ich mir durchaus so vorstellen.“

In Tübingen darf sie endlich auf ihrer Lieblingsposition spielen, kann als Zuspielerin die Angriffe ihrer Nebenleute mit viel Fingerspitzengefühl vorbereiten. Sehr zur Freude der Zuschauer: Seit die Heimkehrerin dabei ist, strömen stets mehr als tausend Fans in die TSG-Halle.

Wie es in der Nationalmannschaft weitergeht, weiß Beate Bühler selbst nicht genau; dem Bundestrainer hatte sie ihre Zusage lediglich für das Bremer Turnier gegeben. In den nächsten Wochen wird sie „in aller Ruhe darüber nachdenken“, ob ihre Verpflichtungen in Verein und Beruf ein neuerliches Engage

ment im Bundesteam zulassen. „Außerdem muß ich auch mein verletztes Knie berücksichtigen.“ Sollte am Ende dennoch eine Entscheidung für das National-Team herauskommen, will sich Beate Bühler die nächsten zwei, drei Jahre nochmal ordentlich reinhängen: „Wenn ich was mache, dann richtig.“

Anderenfalls wird sie beim Bundestrainer ihre Kündigung einreichen und auch damit gut leben können: Ihr Seelenheil hängt längst nicht mehr von Länderspieleinsätzen ab — nach zehn Jahren Leistungssport läßt sich vieles entspannter betrachten. „Mein sportlicher Ehrgeiz ist nach wie vor sehr groß“, sagt Beate Bühler. „Aber gefühlsmäßig investiere ich längst nicht mehr so viel wie am Anfang meiner Laufbahn.“ Holger Gertz