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Verwalten, verschieben, schikanieren

■ Feindliche Behandlung von Asylbewerbern durch Behörden (heute Teil 2 einer Serie in drei Folgen)/ Ein Unternehmer lernt zufällig einen Asylbewerber kennen und begleitet ihn auf dem Amtsweg

Was bisher geschah: Ein westdeutscher Unternehmer lernte Anfang Dezember 1991 im Pressecafé am Bahnhof Zoo — als er morgens um 4.30 Uhr auf seinen Zug nach Hamburg wartete — zufällig einen Ausländer kennen, der nach wochenlanger Flucht aus Pakistan völlig erschöpft und ohne Paß in Berlin gelandet war. Der Unternehmer überlegte nicht lange, verschob die geplante Heimreise und begleitete ihn und seinen Asylantrag eine Woche lang auf der Ämter-Odyssee. Der beschämende Umgang in den Behörden hat ihn derart schockiert, daß er seine Erfahrungen aufschrieb. Im ersten Teil der dreiteiligen Serie (taz vom 4.1. 92) schilderte er, wie es ihm und seinem Schützling bei der Ausländerbehörde erging.

Am Donnerstag um 7.30 Uhr wurde erneut die Ausländerbehörde aufgesucht. Aufgrund der am Vortage ausgestellten Bescheinigung war das Fehlen des Passes diesmal kein Hindernis mehr. Nach etwa einer Stunde wurde Herrn B. nach kurzer Befragung eine andere, mit Paßfoto versehene Bescheinigung ausgehändigt. Mit dieser Bescheinigung und einem Formular für eine Lungenuntersuchung wurde er aufgefordert, sich sofort zu dem neben dem Gebäude parkenden Sichtbildbus zu begeben, um seine Lunge untersuchen zu lassen. Anschließend solle er zum Sozialamt gehen. Die Bedienstete konnte allerdings nicht genau sagen, wo das sei. Es gebe zwei Stellen auf dem Gelände, ZAS 1 und ZAS 2. Wo sein Vorgang bearbeitet werde, sei nicht sicher. Er solle es halt irgendwo probieren. Zunächst aber müsse er sich unverzüglich zu dem Bus begeben, um seine Lungen untersuchen zu lassen.

Vor dem Bus sammelten sich mit der Zeit in eiskalter Witterung zahlreiche Personen an. Im Bus schien niemand zu sein. Es dauerte. Die meist leicht bekleideten Neuankömmlinge standen zitternd und schlotternd vor dem unbesetzten Bus in zugiger, eiskalter Luft. Mir selbst ging es nicht besser. Schließlich kam das Gerücht auf, daß der Bus ab 9 Uhr besetzt sei. Aber auch um 9.10 Uhr tat sich noch nichts. Erst 9.15 Uhr kam eine Person angeschlendert, stieg vorne in den Bus ein. Wieder tat sich lange Zeit nichts. Nachdem Herr B. und die anderen Personen zirka fünfzig Minuten ausgeharrt hatten, wurden die ersten eingelassen. Auch hier blasierte Sturheit die einzige Reaktion, als auf die Kälte vor dem Bus hingewiesen wurde. Unter den Wartenden befanden sich auch Familien mit etlichen Kindern im Alter von drei bis acht Jahren. Die Kinder hatten blaugefrorene Hände und Gesichter, durch die langen Strümpfe, die sie statt Hosen anhatten, pfiff der eiskalte Wind, so daß sie verzweifelt zusammenrückten, um sich gegenseitig zu wärmen.

Im Bereich des Zentralen Sozialamtes

Nach der Untersuchung versuchten Herr B. und ich, bei der dem Bus gegenüberliegenden, mit ZAS 2 ausgeschilderten Stelle die Sozialanträge zu stellen. In dem Komplex befanden sich ca. 80 Personen. Vor den vier jeweils mit einer Glastrennwand von dem Warteraum abgeschotteten Schaltern drängten sich Menschentrauben. An einem Schalter gelang es mir schließlich, die Unterlagen durchzureichen. Die Person jenseits des Glases schüttelte den Kopf und sagte etwas, schob die Papiere wieder zurück. Es war nicht zu verstehen, was gesagt wurde. Ich zeigte auf das Mikrophon und gab zu verstehen, daß ich nichts hörte. Die Person gestikulierte lediglich, ohne daß ein Laut durch das Panzerglas drang.

Aus den Gesten entnahm ich, daß die Abfertigung an dem anderen Schalter erfolgte. Diesen suchte ich auf, d.h., ich stellte mich in der Schlange an, die davorstand. Nach 40 Minuten war ich an der Reihe. Wieder wurden die Papiere zurückgeschoben, und nach vielfachem Nachfragen begriff ich, daß der Vorgang in die Zuständigkeit von ZAS 1 gehöre. Daraufhin suchten wir diesen Komplex auf. Hier befanden sich in zwei großen Warteräumen etwa 120 Personen. Zwei Schalter waren besetzt. Offenbar wurde nach einem Service-Nummern-Verfahren gearbeitet. Der Schalter mit der Aufschrift »Nummern-Ausgabe« war unbesetzt. Vor den wiederum voll mit Glastrennwänden abgeschotteten besetzten Schaltern drängten sich jeweils 15 bis 20 Personen, die die Hälse reckten, irgendwelche Unterlagen in der Luft schwenkten und energisch nach vorne drängten. Gleichwohl wurden über den Schaltern wechselnde Nummern angezeigt, und der Inhaber einer angezeigten Nummer bahnte sich dann jeweils eilig mit dem Ellenbogen durch die dichte Menschentraube vor dem Schalter einen Weg, um wenigstens auf Armlänge heranzukommen und irgendwelche Papiere entgegenzunehmen. Verständliche Mitteilungen konnten dabei nicht ausgetauscht werden.

Nach dem ersten Schock gelang es mir, aus einem handschriftlichen Vermerk auf einer der Glasscheiben zu entnehmen, wo die Erstanträge zu stellen seien. Wir reihten uns in diese Schlange ein. Nach 30 Minuten konnten wir die Unterlagen durchreichen. Der Bedienstete war zufällig selbst auch Pakistani, erklärte Herrn B. in seiner Landessprache, um was es hier ging, und ließ sich einige Unterschriften geben. Dann erhielten wir eine Nummer und wurden darauf hingewiesen, daß diese Nummer am Nebenschalter angezeigt werde, wenn die Sache bearbeitet sei. In dem lärmenden, dichten Gedränge der übrigen Antragsteller warteten wir anschließend bis 13.30 Uhr. Die Nummer wurde angezeigt. Ich drängte mich durch die Menschentraube vor dem Schalter und bekam einige Papiere zugeschoben. Erläuterungen oder Erklärungen gab es keine. Unmittelbar nachdem ich die Papiere in Empfang genommen hatte, wurde mit einem Ratsch eine Jalousie vor dem Fenster herabgelassen. Es blieb nichts übrig, als die Unterlagen zu studieren. Zu dem mit Lichtbild versehenen Ersatzausweis hatte sich eine gelbe BVG-Karte gesellt. Darunter war ein Formblatt beigeheftet, das keine Überschrift und überhaupt keinen vollständigen Satz in deutscher Sprache enthielt. Unter der Überschrift »Deutsches Rotes Kreuz« befanden sich zum Ankreuzen diverse Rubriken, von denen jedoch keine angekreuzt war. Statt dessen stand seitlich daneben ein handschriftlicher Eintrag: PeWoBe, Diedersdorfer Weg 3, 1-48.

Unterhalb davon standen Hinweise auf Ansprüche auf Sozialhilfe, die alle gestrichen waren. Statt dessen wiederum handschriftlich eine kleine Tabelle, in der hinter der Abkürzung »Tg« Beträge für »mtl.« »wtl.« und »tgl.« ausgewiesen wurden, woraus ich einen Tagessatz von 4,80 DM als Taschengeld erriet. Mit diesem Beleg begab ich mich an die Kasse. Der Beleg wurde mir sogleich zurückgereicht. »Das Geld zahlt das Wohnheim aus...«

Offenbar sollte der Flüchtling also in dem Wohnheim Diedersdorfer Weg untergebracht werden und dort auch sein Geld erhalten. (Wird fortgesetzt.) Udo Teichmann

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