: Prominente sahen ihre Stasi-Akten
■ betr.: "Kommen, um sich Gewißheit zu verschaffen", taz vom 3.1.92
„Kommen, um sich Gewißheit zu verschaffen“ u.a., taz vom 3.1.92 (Seite 5)
Welch ein beschämendes Schauspiel! Da durften sie, die prominenten Bürgerrechtler und Friedensfreunde aus der Ex-DDR zuerst an ihre Stasi-Akten. Unter Blitzlicht und Fernsehkameras. Welch eine fabelhafte Gelegenheit, die eigene Besonderheit zu produzieren! Und keine Frage nach den tatsächlichen Opfern der Unmenschlichkeit. Kein Wort davon. Nur wieder einmal die Demonstration der selbsternannten Elite.
Anschließend dann die Weisheit: Jeder solle sich genau überlegen, ob er wirklich in der Lage sei, durch die Einsicht in seine MfS-Papiere ein neues Bild von sich und seiner Umgebung (...) ertragen zu können!
Tolle Weisheiten aus den Mündern von herausgestellten Sondermenschen! Merken diese hervorgeragten Elitevorzeigemenschen eigentlich nicht, wie sie sich alten Kaderdenkstrukturen angepaßt haben? Sind sie so sehr von ihrer Einmaligkeit durchdrungen, daß sie den Blick zurück allein sich und sonst niemandem zutrauen können? Sie benehmen sich wie junge Katzen. Glauben, erst ihre Geburt habe die Weltgeschichte in Gang gesetzt! (Maupassant)
Traurig, dieses Schauspiel. Traurig, weil sich wiederum einzelne Damen und Herren zu Oberverfolgten ernennen und feiern lassen durften. Oder? Ulf Müller, Mitarbeiter des SPD-AK ehemaliger politischer Häftlinge aus der SBZ/DDR, Politischer Häftling nach SMT-Urteil von 1948-56, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen