: Mailänder Sterne
■ AC Mailand erleuchtet Italiens Fußball-Liga
Berlin (taz) — „Es tut mir leid für Ruud“, sagte Marco van Basten nach dem spektakulären 5:0-Sieg seines AC Mailand gegen den SSC Neapel, „heute hätte er sich prächtig amüsiert.“ Ruud Gullit, in letzter Zeit wieder in bestechender Form, verpaßte den Gala-Auftritt seines Clubs gegen den Tabellendritten wegen einer Grippe, aber auch ohne ihn bewiesen die Mailänder, daß sie von den übrigen Teams der ersten italienischen Liga derzeit Welten trennen. „Sternengleichen Fußball“ bescheinigte ihnen Neapels Trainer Ranieri, „meine Mannschaft hat quasi perfekt gespielt“, sagte Milan-Coach Fabio Capello und fügte das Wörtchen „quasi“ nur hinzu, „weil es im Fußball keine Perfektion gibt.“
Fast jeder Mailänder Akteur spielte Katz und Maus mit seinem Kontrahenten. Paolo Maldini meldete den Brasilianer Careca, mit neun Treffern immerhin auf dem dritten Platz der Torschützenliste, komplett ab und fand außerdem Zeit, zwei Tore vorzubereiten und das 1:0 in der ersten Spielminute per Kopf selbst zu erzielen. Franco Baresi organisierte gewohnt brillant die Abwehr, Frank Rijkaard beherrschte gemeinsam mit Gullit- Ersatz Donadoni das Mittelfeld und van Basten ließ sich von seinem Gegenspieler Francini kein einziges Mal den Ball abnehmen. In der 27. Minute spielte der Niederländer einen geradezu unverschämt lässigen Doppelpaß mit seinem Kompagnon Rijkaard, der den Ball genauso unverschämt zum 2:0 ins Tor schlappte, und in der 81. Minute krönte er seine starke Leistung mit dem zehnten Saisontor. Zwischendurch hatten Massaro und Donadoni getroffen.
„Das ist der alte AC von vor zwei Jahren, als wir in Barcelona den Europacup gewannen“, freute sich van Basten: „Nur Tomba kann Milan widerstehen“, faßte der 'Corriere della Sera‘ das Sportgeschehen des Wochenendes aus italienischer Sicht zusammen. Ganz richtig lag er damit nicht. Auch Juventus Turin widersteht. Trotz einer äußerst mäßigen Darbietung, die das Publikum schon in der Halbzeit zu einem lauten Pfeifkonzert animierte, gewannen die Turiner gegen Parma mit 1:0 und blieben. Roberto Baggio erzielte in der 70. Minute den Siegtreffer, verweigerte aber jeglichen Freudentaumel. Er liegt im Clinch mit Trainer Trapattoni, der ihm die Stürmerqualitäten abspricht und ihn beharrlich im Mittelfeld einsetzt. „Ich weiß nicht, ob ich heute Mittelfeld oder Halbstürmer gespielt habe“, grantelte der beleidigte Superstar. „Ich habe gespielt und damit basta.“
Trapattoni seinerseits ging in die Luft, als er darauf angesprochen wurde, daß der Sieg doch sehr glücklich gewesen sei. „Wir und glücklich? Es ist Zeit, mit diesen Beleidigungen aufzuhören. Seit sechs Monaten wiederholen immer nur alle, daß Juve schlecht spielt, daß Juve Glück hat, daß Juve den Sieg nicht verdient. Ist es denn möglich, daß wir 23 Punkte in fünfzehn Spielen geholt haben, ohne einmal eine gute Partie zu liefern?“ Nicht wenige in Turin würden diese Frage unumwunden mit „ja“ beantworten.
Eitel Sonnenschein dagegen bei Lazio Rom. Mit einem komfortablen 5:2 gegen Foggia sicherten sich die Römer den vierten Tabellenplatz, und wieder einmal waren es Karlheinz Riedle und Thomas Doll, die mit spektakulären Toren und rasanten Aktionen glänzten. Riedle traf zweimal per Kopf und schloß in der Torjägerliste mit zehn Treffern zu Marco van Basten auf. „Wenn man gut spielt, kommen auch die entsprechenden Resultate“, fußballphilosophierte Lazio- Trainer Dino Zoff nach der Partie, während sich Riedle in Bescheidenheit übte: „Die persönlichen Erfolge interessieren mich wenig.“
Das dürfte Rudi Völler derzeit ganz anders sehen. Seit dem 6.April hat er in der Meisterschaft kein Tor mehr geschossen, und die Fans des AS Rom unterstellen ihm langsam böse Absicht. Ohne Spielmacher Giannini gelang dem desolaten Roma-Team ein glückliches 1:1 beim Schlußlicht Ascoli, wobei den römischen Treffer natürlich nicht Völler, sondern Rizzitelli erzielte. Verheerend die Leistung Thomas Häßlers, der bis zu seiner Auswechslung in der Halbzeit äußerst gelungen den „unsichtbaren Mann“ verkörperte.
Ein Trauerspiel auch Inter Mailands Vorstellung in Cremona. In der 65. Minute mußte die Partie beim Stande von 0:0 wegen Nebels abgebrochen werden, und der 'Corriere della Sera‘ schrieb: „Der Nebel breitete einen Mantel der Barmherzigkeit über Inter.“ Matti
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