KOMMENTAR: Minen ächten!
■ Minen sind die schmutzigen Altlasten der Regionalkriege
Der kalte Krieg ist zu Ende, die Stellvertreterkriege sind somit obsolet geworden. Nachdem sich mit Gorbatschow das russische Imperium aus den zwischen den Supermächten strittigen Regionen nach und nach zurückgezogen hat, haben auch die USA ihr Interesse an den kostspieligen Stellvertreterkriegen verloren und in den entsprechenden Regionen den Geldhahn zugedreht. So konnte der jüngst aus dem Amt geschiedene Pérez de Cuéllar einen Waffenstillstand nach dem anderen vermitteln, zuletzt in El Salvador. Angefangen von Afghanistan, über Namibia, Angola, Mosambik, Iran-Irak bis hin auch zu Kambodscha wurden militärische Auseinandersetzungen beendet, die den Stempel des kalten Krieges trugen.
Für die USA, aber auch für die EG und die Nato, ist die Sache damit erledigt — doch in den Ländern, in denen nun der Krieg aufgehört hat, herrscht alles andere als Frieden. Der Tod lauert im wahrsten Sinne des Wortes an jeder Ecke, die Böden sind verseucht mit Minen. In der Weltöffentlichkeit spielen diese Waffen keine Rolle. Der Tod, den sie bringen, ist unspektakulär und alltäglich. Eine Ausnahme bildeten die von den Sowjets in Spielzeugform konstruierten Minen, die in Afghanistan abgeworfen wurden und unzählige neugierige Kinder töteten. Doch auch diejenigen, die von Minen nur verletzt werden, sind oft grauenhaft verstümmelt. Kaum eine Waffe ist so hinterhältig und so brutal wie Minen, und kaum eine Waffe wird so wenig beachtet.
Seit dem Sommer 1990 versucht die zuständige UNO-Organisation die afghanischen Flüchtlinge aus den pakistanischen Lagern zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen — ohne Erfolg, weil in den ehemals umkämpften Gebieten 30 bis 50 Millionen Minen auf ihre Opfer warten. Dasselbe gilt für Kambodscha. Die Felder sind nicht nur verwüstet, sondern auch vermint. Reisanbau kann tödliche Folgen haben und wird entsprechend wenig betrieben. In den kurdischen Gebieten des Iraks, entlang der Grenze zum Iran und der Türkei, ist es lebensgefährlich, die wenigen Trampelpfade zu verlassen; ein falscher Schritt, und eine Mine kann hochgehen. Der Wiederaufbau dieser Länder ist praktisch unmöglich, solange die Minen nicht geräumt sind. Mittel für dieses Unterfangen stehen kaum zur Verfügung. Die UNO bemüht sich. Doch von den Verursachern fühlt sich niemand verantwortlich. Die Großmächte oder ihre Stellvertreter haben den Dreck abgeladen, um die Entsorgung sollen sich nun andere kümmern.
Den wenigen, die sich dieses Problems dann tatsächlich annehmen, werden zudem noch bürokratische Minen in den Weg gelegt. Seit Wochen bemüht sich Rupert Neudeck von der Hilfsorganisation Cap Anamur, von der Bundesregierung Minenräumpanzer für Somalia zu bekommen. Das Land gehört zu den am meisten verseuchten Afrikas, die Menschen sterben wie die Fliegen. Doch plötzlich entdeckt die Bundesregierung, daß es ein Kriegswaffenkontrollgesetz gibt. Während fast jede Schweinerei das Eschborner Außenwirtschaftsamt problemlos passiert, schieben sich nun schon seit Wochen Außen- und Verteidigungsministerium mit Verweis auf das Kriegswaffenkontrollgesetz den Schwarzen Peter zu — erst am Montag wurde die Genehmigung für die Verschiffung von 20 Räumpanzern erneut vertagt.
Wie wenig Problembewußtsein gegenüber diesem schmutzigen Krieg besteht, zeigt schon die Tatsache, daß der Einsatz von Minen nicht geächtet ist und kein internationales Gremium über ein Verbot der Produktion und des Einsatzes dieser heimtückischen Waffe verhandelt. Minen sind ja nur konventionelle Waffen, sie bedrohen den Weltfrieden nicht und vor allem nicht die reichen Industrienationen. Sie sind nur eine der grausamsten Hinterlassenschaften der Stellvertreterkriege, gegenüber denen jetzt jeder die Hände in Unschuld wäscht. Jürgen Gottschlich
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen