: Minen können sich fast alle leisten
■ Millionen von Minen, die in den ehemaligen Kriegsgebieten der Dritten Welt vergraben liegen, wurden zumeist von Schwellenländern in Lizenzproduktion gefertigt oder einfach nachgebaut
Seit der Minenkampf im Einsatzkonzept der Truppen einen immer höheren Stellenwert erhalten hat, liegen sie überall herum, wo in Kriegszeiten einmal Frontlinien verliefen. Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Menschenleben hat der gefährliche Nachlaß bereits gekostet. Noch Jahrzehnte nach den Kämpfen bedrohen sie Leib und Leben. Zu Recht fordern deshalb Menschrechts- und Hilfsorganisationen seit Jahren die Ächtung der Waffengattung und verlangen von den Herstellerländern, zumindest die Herstellerunterlagen sowie die Technologie zur Räumung der Kriegslasten zur Verfügung zu stellen.
Minen wurden in der Vergangenheit nicht zu Unrecht als die „Waffen des armen Mannes“ bezeichnet: Sie sind einfach herzustellen und können praktisch in jedem Land der Dritten Welt produziert werden. Hunderttausende Splitterminen haben die irakischen Truppen im kuweitischen Sand vergraben. Bei den italienischen Fabrikaten, so sagen die Waffenexperten, habe es sich um ägyptische Lizenzproduktionen gehandelt — geliefert im Rahmen des irakisch- ägyptischen Rüstungsabkommens. Minen, so der Starnberger Friedensforscher Erich Schmidt-Eenbohm, sind kein großes Geschäft. Wer sie einsetzen will, kann sie überall kaufen — am günstigsten in waffenproduzierenden Schwellenländern. Selbst die Nato bezog noch in Spannungszeiten die Hälfte des Pulvers und der Sprengstoffe aus DDR und CSFR, weil es dort günstiger war.
Welche Staaten die perfiden Waffen herstellen, anbieten und liefern, läßt sich schwer feststellen. Anzunehmen ist aber, daß es vor allem die Rüstungsländer in den Krisenregionen sind, die Minen auf der Basis westeuropäischer Patente herstellen und vertreiben. Ägypten etwa gilt als einer der Hauptlieferanten in dieser Region. In Südamerika sind es Brasilien und Argentinien; in Asien die ehemalige Sowjetunion, China, Taiwan, Singapur und Beide Koreas, die die dortigen Märkte mit Rüstungs- Einfachtechnik versorgen.
Bundesdeutschen Herstellern ist die Ausfuhr von Minen in Krisengebiete nur mit Sondergenehmigung nach dem Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz gestattet. In Deutschland stellen die Nürnberger Diehl-Gruppe und Dynamit Nobel Minen her. Die deutschen Produkte sind aber nach Erkenntnissen der Friedensforscher bislang in Krisengebieten nicht aufgetaucht — sie sind wohl zu teuer.
Die Wirkung von Minen ist durchschlagend: Die Verluste an Kampffahrzeugen betrugen im Zweiten Weltkrieg 20 Prozent, in Vietnam bereits 69 Prozent. Die sogenannten Panzerabwehrminen, auch als AT- Minen (Anti-Tank-Minen) bezeichnet, werden als Sperrsystem für gegnerische Truppen und Panzer verwendet. Die Minen der ersten und zweiten Generation wirkten dabei auf Druck von unten gegen Fahrzeuge. Die mit den heutigen technischen Möglichkeiten aufgerüstete neue Minengeneration ist mit wesentlich sensibleren Auslösesensoren ausgestattet. So kann etwa die jüngst entwickelte „Aimed Controlled Effect Anti Tank Mine“ ihr Ziel selbstständig suchen und autonom bekämpfen.
In den letzten 10 Jahren haben die Waffenproduzenten aber vor allem die Entwicklung von Schützensplitterminen vorangetrieben. Die meisten der in den Dritte-Welt-Ländern eingesetzten Minen sind metallarme oder metallfreie Kunstoffminen, die bei der leichtesten Berührung hochgehen. Sie richten sich gegen die Zivilbevölkerung. Die jüngste Generation der Plastikminen, sagt Colonel Colin Mitchel, sei sogar nicht zum Töten entwickelt worden, sondern mit dem Ziel, die Opfer zu verkrüppeln.
Wie schwierig die Beseitigung des hochbrisanten Nachlasses ist, läßt sich selbst am Beispiel der Bundesrepublik nachvollziehen, wo jährlich noch rund 100 Millionen Mark dafür ausgegeben werden müssen, um übriggebliebene Bomben und Granaten aus den beiden Weltkriegen zu beseitigen. Erwin Single
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