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Radio Bremen 4 feuert Indie-Guru Peel

■ Ist der weltbekannte DJ nicht mehr zu bezahlen? / John Peel „enttäuscht“

Heimlich, still und leise verschwand John Peel, der Papst der Punkmusik, Krachmucke, Schrägmusik und Avant-Garde- Töne aus dem Programm von Radio Bremen 4. Seit Ende letzten Jahres produziert der englische Guru der Independent-Musik seine Zwei-Stunden-Bänder nicht mehr. Die ersatzlose Streichung der Sendung (bisher jeden Montag um 22 Uhr) habe allerdings „keine qualitativen Gründe“, versichert Axel Sommerfeld vom Bremer Sender, „und schon gar keine persönlichen. Im Februar ändern wir weitgehend unsere Konzeption, und die bedingt, daß John Peel aufhört.“

Daß der sang- und klanglose Abschied etwas verwundert, kann Sommerfeld gar nicht verstehen. Ein einziger enttäuschter Hörer hätte sich bisher erkundigt; die Sendungen des weltbekannten Radio-DJs seien eben Minderheiten-Programme gewesen. Sommerfeld: „Die gleiche Art Musik spielen Deike und Rausch auch. Außerdem haben wir sowieso den größten Independent-Anteil aller ARD-Anstalten.“

Das neue Programmkonzept bestätigt auch Pressesprecher Mangelsen. So wird die Morgenschiene Slip bis 10 Uhr verlängert, Limbo auf vier Stunden ausgeweitet und das neue Take six von 18 bis 20 Uhr eingeführt. Was das allerdings mit der Abservierung des charismatischen „Anchorman“ John Peel zu tun hat, kann Mangelsen auch nicht recht erklären. Im Gegensatz zu Redakteur Sommerfeld, der auch finanzielle Gründe für ausschlaggebend hielt, will der Pressesprecher von einer Rotstiftpolitik nichts hören.

Peel ist schon lange in Bremen zu hören. Am 14.3.85 moderierte er seine erste Rizz–-Sendung. Einmal im Monat kam er dann jeweils donnerstags in die Hansestadt, moderierte seine zwei Stunden und machte am freitags noch eine Sendung der Mittagspause. Ab Januar 1986 hieß sein Beitrag dann Stückwerk, offensichtlich in Anspielung auf seine Stilvielfalt und die oft sehr persönlichen Moderationen. (“Habe ich schon erzählt, daß ich die Marx-Brothers gar nicht lustig finde?“).

Während Peel zu Beginn seiner Bremer Tätigkeit wegen seiner Flugangst noch jedesmal mit dem Schiff anreiste, schickte er in letzter Zeit nur noch in England vorproduzierte Bänder, die von Radio Bremen 4 und SFB 4 U gemeinsam genutzt wurden.

John Peel hat von seiner Ablösung durch einen Anruf aus Berlin erfahren: „Die haben Dich in Bremen 'rausgeschmissen“. Später kamen zwei Briefe aus Bremen, die er bisher nicht beantwortet hat. Im einem Telefonat mit der taz zeigte er sich sehr irritiert über das urplötzliche Verschwinden seiner Sendung aus dem Programm. Leitende Mitarbeiter von Radio Bremen, die er durch Zufall in London traf, wußten nicht einmal von der Existenz seiner Sendung. Vertraute aus dem Sender flüsterten ihm ökonomische Gründe für die Entscheidung: „Sie konnten mein Programm nicht mehr bezahlen“.

„Wenigstens hätten sie es mir als erstem erzählen können“, so der DJ, „schließlich habe ich die Arbeit für Bremen gern gemacht. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß ich es nicht fertiggebracht habe, eine gegenseitige Kommunikation mit den Hörern aufzubauen. Aber es hinterläßt einen faden Geschmack im Mund“. Jürgen Francke

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