: 'Ökologie ist mehr' als Stelltafeln
■ Heftige Schelte beim Antrittsbesuch des neuen Umweltschutz-Ressorts in der Vahr
Gestern vormittag um 11 Uhr sollte der neue Umweltsenator Ralf Fücks seinen ersten Auftritt haben. Zwölf Stelltafeln über Dachbegrünung, Regenwasser- Nutzung und ähnliches waren im Bürgerhaus Neue Vahr als Kulisse aufgestellt, „Stadtökologie ist mehr“ war das Motto, das dem neuen Senator als Hintergrund dienen sollte.
Und dann stellte sich einer ins Licht der Fernseh-Scheinwerfer, einen Kopf kleiner als Fücks, mit einem zu knappen Hemdkragen, schiefhängender Krawatte und Birkenstock-Schuhen: „Ich bin nicht Herr Senator Fücks“, meinte er fast entschuldigend, der sei aufgrund einer überraschenden „privaten Verpflichtung“ verhindert. Es war Staatsrat Uwe Lahl, der anstelle von Fücks die schriftlich vorbereitete Erklärung des Umweltressorts zur Ausstellungseröffnung verlas.
Der Umweltsenator will die Nutzung des Regenwassers finanziell unterstützen, denn von den 150 Litern Trinkwassern, die ein Bürger pro Tag „verschwendet“, gehen 50 allein Liter „als Transporthilfe durch die Toilette“. Der Staatsrat lächelt angesichts der ihm aufgeschriebenen Formulierung. Nur 10 Liter brauche der Mensch in Trinkwasser-Qualität. Zwischen 3 und 7.000 Mark kostet die Anlage, mit der Regenwasser für einen privaten Haushalt genutzt werden kann, 50 Prozent davon, maximal 3.000 Mark, will der Umweltsenator als Fördermittel dazuschießen.
Auch die Private Dachbegrünung will das Ressort weiter fördern. Nach der ersten spektakulären Aktion auf dem Dach des Hal
Staatsrat Uwe Lahl wirbt für Regenwasser-NutzungFoto: T.V.
lenbades Vahr sind 1991 genau 1.374 Quadratmeter Dachfläche begrünt worden — ein Anfang, immerhin. „Ich möchte durch Unterstützung von Stadtteilaktivitäten deutlich machen, welche Potentiale ökologischer Stadtentwichklung hier liegen“, hat die Presseabteilung ausgeschrieben. Und dann wünscht Staatsrat Lahl der Ausstellung, wie es in dem Manuskript steht, „viel Erfolg“.
Der Leiter des Bürgerzentrums Neue Vahr steht stolz in der Runde. Die Flachdächer des Zentrums würden sich gut eignen für Dachbegrünung. Und: 90 Pro
zent der Wasserverbrauchs im Bürgerzentrum geht durch die Toilette. Wäre es da nicht denkbar, auf das Dach des Hauses, in dem für Regenasser-Anlagen geworben wird, eine zu stellen? Aber die Behörde fördert nun mal nur bis maximal 3.000 Mark ...
Ortsamtsleiter Arnold Müller bedankt sich artig für den hohen Besuch und zeigt, wo die Probleme liegen. Das „Ökoprojekt Vahr“ zum Beispiel, in dem zehn arbeitslose Jugendliche, über Sozialhilfe-Stellen finanziert, sinnvolle Umwelt-Arbeit im Stadtteil machen, führt das Ortsamt gegen den erklärten Willen des Umweltschutz-Ressorts durch. Der Personalrat des Gartenbauamtes und des Amtes für Straßen- und Brückenbau hatten protestiert. Aus Prinzp, denn für die Arbeit könnte man ja auch feste Stellen schaffen. Könnte.
Sogar der Staatsrat des Umweltschutzressorta habe sich dem Druck der Personalräts-Logik gebeugt und, weil Umweltschutz nicht seinen Aufgaben gehöre, das Ortsamt aufgefordert, das Ökoprojekt im Stadtteil auslaufen zu lassen. „Das haben wir nicht gemacht“, insistert Müller. Die Bäume sterben im Stadtteil, weil die Bürgersteige zu wenig Luft für Erde lassen. Entsiegelung tut not. „Hier ist Geld vorhanden, arbeitslose Menschen sind da, die Umweltschutzmaßnahmen durchzuführen — und wir dürfen sich!“, empört sich der Ortsamts- Chef. Nur das Wasserwirtschaftsamt sei kooperativ gewesen. Im Unterschied zum Umweltschutz-Ressort, sagt Müller, habe sich die Gewoba „sehr aufgeschlossen“ gezeigt. Also arbeitet das „Ökoprojekt Vahr“ auf den Flächen des Wohnungsbau- Unternehmens.
Von der neuen Umwelt-Verwaltung erhofft sich Müller höflich, daß man „intensiver als früher“ zusammenarbeiten könne. Staatsrat Uwe Lahl nickt und erkundigt sich interessiert nach dem Konflikt. „Das ist keine neue Verwaltung“, murmelt ein Mann aus der Umweltverwaltung im Hintergrund, der für das Manuskript des Staatsrates mit Passus über die „Unterstützung der Stadtteilaktivitäten“ zuständig ist. K.W.
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