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Hier kommt Matti...

■ Spektakuläre Niederlage der taz-Kicker beim Hallenfußballturnier

Im 27. Redaktionsturnier des Vereins Deutsche Sportpresse Berlin streiten 14 Teams um den Dieter- Dose-Gedächtnispreis. Die Deutschlandhalle ist fast ausverkauft, auf den Rängen stimmen die Fans schon lange vor Turnierbeginn Siegesgesänge an, in der Südkurve schreit und trampelt der Fan-Block der taz, aus Hamburg ist ein Sonderzug mit St.-Pauli-Fans dazugestoßen, schwarze Fahnen werden geschwenkt, und immer wieder rufen die Fans nach ihrem Star, ihrem Champ Matti Lieske, der sich vor Spielbeginn kurz sehen läßt, in die tobende Menge unwirsch grüßt, in sich versunken, voll konzentriert, denn schon das erste Spiel in der Gruppe B ist gegen einen der Top-Favoriten, die ganz in Grün gekleideten Kicker der 'Bild‘.

Wer angenommen hat, ein Mitarbeiter der taz könne unmöglich bereits morgens um 9 Uhr von den nächtlichen Strapazen einer Großstadt genesen sein, wird an diesem Samstagmorgen nun doch eines Besseren belehrt: Von der ersten Minute an rennen die Männer in den schwarzen T-Shirts auf dem Spielfeld hin und her, immer wieder angefeuert von ihren meist weiblichen Fans, die an dieser Stelle ihre Vorurteile gegen muskelbepackte Männerbeine und bedingungslosen Kampfeswillen beiseite schieben und für ihre Jungs einstehen.

Detlef Kuhlbrodt hat sich den Ball geangelt, spielt ihn auf Peter Huth, der mit einer geschickten Körpertäuschung seinen Gegner von der 'Bild‘- Zeitung stehenläßt, Rückpaß auf Philippe André, der über die linke Seite vorstößt, eine Flanke auf Wolf Vetter schlägt — der jedoch steht an der Außenlinie und gibt Autogramme an seine weiblichen Fans, die Frauen halten ihn fest, alle wollen ihn berühren, und schon stürzt der Rest der taz-Mannschaft hinzu, allen voran Micha Mussotter, die Fans sind außer Rand und Band, Herr Schmiernik reißt sich das T-Shirt vom Leib, Rainer Tute greift sich gleich zwei Mädel und zerrt sie in Richtung Notausgang, das Team von 'Bild‘ steht fassungslos auf dem Kunstrasen, hier passiert live, was sie sich sonst mühsam aus den Fingern saugen müssen, einer ihrer Spieler schlägt den Ball wütend in das Tornetz der taz-Mannschaft, das Tor wird gegeben, aber den Jungs um Matti Lieske ist das völlig wurscht. Schiedsrichter Günter Weise sorgt energisch für Ordnung, Detlef Kuhlbrodt verabschiedet sich noch schnell von einer dunkelhaarigen Schönheit, dann stürmt er nach dem Anstoß auf das gegnerische Tor, spielt den Ball geschickt durch die Beine eines 'Bild‘-Spielers, ein Hackentrick — und Peter Huth schießt aus drei Meter Entfernung den Ball an das Außennetz!

Die Mannschaftskameraden laufen auf Peter Huth zu, fallen ihm um den Hals, beglückwünschen ihn zu dieser tollen Aktion, Detlef Kuhlbrodt möchte seinen Hackentrick noch einmal demonstrieren, aber die Kicker von 'Bild‘ kennen keine Fairneß, sie geben den Ball nicht her, sondern schießen ihn in das leere Tor der taz zum 2:0 ein.

Ja, was soll man dazu sagen, das Publikum pfeift und johlt, aber das sind die Mannen von 'Bild‘ gewohnt. Matti Lieske reckt trotzig seine linke Faust, blickt aufmunternd seine Mitspieler an, die nun nach dem erneuten Anstoß ein Powerplay aufziehen, ständig rochieren, Ball und Gegner geschickt laufen lassen. Das Dreieck Kuhlbrodt/Huth/Lieske zaubert 1a Beckenbauerpässe/Maradonatricks und Müllerdrehungen. Plötzlich bricht Herr Schmiernik zusammen! Was ist geschehen? Auch Philippe André faßt sich an den Kopf, unter ihm knicken die Beine weg, Rainer Tute folgt den beiden auf den harten Boden, dann Wolf Vetter und die anderen.

Die Fans in der Südkurve sind aufgesprungen, etwas am Rande steht Georgia Tornow, zuckt mit den Schultern, »Bemuttert euch mal selber«, soll das wohl heißen, und in diesem Augenblick bricht auch Matti, der Unbeugsame, zusammen, die Augen ungläubig aufgerissen. Sanitäter stürmen auf das Feld, kümmern sich um die schwer atmenden taz- Spieler.

Der Gegner schaut ungerührt zu, lässig schieben die Akteure von 'Bild‘ den Ball um die am Boden liegenden Verletzten herum, schießen das Leder in das weit offene Tor der taz, der sogenannte Unparteiische pfeift und zeigt auf den Mittelkreis — 3:0.

Das Publikum rast, ich kämpfe mich zu Matti Lieske durch.

taz: Matti, was ist passiert?

Matti (sehr leise): ...alles Scheiße...

taz: Ich verstehe nicht...

Matti (kaum verständlich): ...Inter Mailand, oh Flanke von Lothar Matthäus, oh, hochspringen, oh Tooor!...

Offensichtlich sind die begnadeten Spieler der taz einer Massenpsychose zum Opfer gefallen, das ist auch verständlich, denn dieses Hallenfußballturnier unterfordert ganz klar diese außergewöhnlichen Talente. Das Spiel gegen die 'Bild‘ wird abgepfiffen, und auch die nächsten Gegner der taz, die Mannschaften der 'dpa‘/'Jungen Welt‘ und des RIAS gewinnen ihre Spiele mit 3:0 und 2:0, Bolzmannschaften, die dem filigranen Spiel der taz nur rohe Kost entgegenzusetzen haben.

Als die 'fuwo‘ den 'Kurier‘ im Endspiel verdient 5:2 schlägt, haben die Akteure der taz die Deutschlandhalle bereits verlassen. Bei ihnen wurde Wolfgang Fahrian gesehen, dem beste Kontakte zu den italienischen Clubs nachgesagt werden... Werner

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