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Krkonos' fleischige Gesellen

■ Spandaus Handballer verlieren mit 19:23 gegen Fredenbeck erstmals daheim/ Nächstes Spiel umsonst

Charlottenburg. Wer hätte das gedacht. Nicht nur auswärts, sondern jetzt auch zu Hause können die Spandauer Handballer verlieren. Was deren Manager Jürgen Kessling noch moderat als den »befürchteten Einbruch« bezeichnete, ließe sich leicht auf drei Worte erweitern: Grusel, Grusel, Grusel.

Tatsächlich brachten es die Blau- Weißen fertig, den BesucherInnen in der fast ausverkauften Sömmeringhalle laufend Trauerschauer über den Rücken laufen zu lassen, sich die Frisuren zu zerraufen und nach Spielende voll des Mitleids schnell nach Hause zu entschwinden. War die Hoffnung doch so groß gewesen, auch den Tabellenersten der Nordgruppe aus Fredenbeck mit einer Niederlage heim ins flache Land zu schicken. Denn die Spandauer hatten bis dato eine erstaunliche Heimbilanz aufzuweisen und ohne jegliche Niederlage selbst solche Gäste wie den THW Kiel oder Hameln überstanden.

Doch ausgerechnet gegen den so auswärtsschwachen VfL Fredenbeck vergaßen die Spandauer, was ihre Weise des Handballspieles auszeichnete: Nervenstärke und die trotzige Dickköpfigkeit, unbedingt gewinnen zu wollen. Eher frustriert und vollkommen durch den Wind tapsten sie über das Parkett, diesmal allerdings aus gutem Grund.

Mit zwei naturgegebenen außergewöhnlichen Problemen wurden die Spandauer von ihren Kontrahenten hereingelegt. Zum einen hatten die Fredenbecker mit Zbigniew Tluczynski, Maik Heinemann und Olaf Pleitz drei Spieler mitgebracht, die man als ziemlich groß, aber noch nicht so richtig dick beschreiben könnte und in der Handballsprache unter der Bezeichnung »Tier« Eingang finden. Andererseits stand mit Mariusz Dudek ein Mensch im Tor, der mit katzengleichen Verbiegungen zwei Dutzend Würfe aufhielt.

Für die Spandauer Grund genug, schnell mit verzweifelten Gesichtern herumzulaufen und fortan nur noch hanebüchenen Blödsinn zusammenzuspielen. Aber was sollten Bernd Timm, Andreas Wigrim und Axel Mensing auch machen, die wie klapprige Hungerhaken wirkten gegen den polnischen »Krkonos« (Rübezahl) Tluczynski und seine fleischigen Gesellen. In der Abwehr schleuderten sie Schewzow herum wie einen Gummiball, im Angriff packten sie mit so grimmiger Miene den Ball, als wollten sie ihm im nächsten Augenblick mit bloßer Hand die Luft herausdrücken.

So dermaßen eingeschüchtert, zeigten nur zwei Blau-Weiß-Spieler ihre normale Form. Juri Schewzow erwühlte trotz aller Pein fünf Tore, und Stefan Kretzschmar verwandelte nicht nur alle sechs Strafwürfe, sondern veräppelte Torwärter Dudek noch rotzfrech von Außen, als er den Ball hinter dem eigenen Rücken vorbei ins Tor legte.

Und die anderen? Oje, ein planvolles Aufbauspiel war nicht zu erkennen, 16 Überzahlminuten wurden nicht genutzt, Wigrim trödelte beim Tempogegenstoß so sehr, daß ihn sein Gegner locker einholte, Nagora warf tranig ein halbes Dutzend Fahrkarten, und selbst die sonst so hervorragenden Torwärter Carsten Hein und Uwe Kern kassierten selbst dann noch Treffer, als die Fredenbecker Klopse laut Betreuer Harald Uhling »am Schluß konditionelle Probleme« bekamen.

Somit schaut es trüb aus für die Spandauer im Erhalt um einen Platz in der ersten Liga, auswärts haben sie eh nichts zu bestellen, und die nächsten beiden Heimgegner Dormagen und Essen laden auch nicht zum Gewinnen ein.

Als Trost für die Fans ist am nächsten Sonnabend gegen Bayer Dormagen mit »Hexer« Andreas Thiel im Tor der Eintritt frei, und, oh Wunder, selbst die BVG schickt zu diesem Zweck Sonderbusse zur entlegenen Korber-Halle. Schmiernik

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