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„Wir wollen keine Insel mehr sein!“

■ Das Bremer Institut Francais hat eine neue Leiterin, und die will rein in die Kulturszene: „Nicht nur die ewigen Frankophilen“

Christine Schell, 37 Jahre, ist seit September neue Leiterin des Institut Francais in Bremen. Was das außer einem riesig-runden, bildschönen Büro in der Contrescarpe-Villa für die Kulturarbeit, fürs Institut und für Frau Schell bedeutet, wollte die taz von ihr wissen.

taz: Kommen Sie aus Paris?

Christine Schell: Ja, aber ich habe auch in anderen Teilen Frankreichs gelebt. Ich sage immer: Paris ist nicht Frankreich, passen Sie auf!

Haben Sie schon mal ein Institut Francais geleitet?

Nein. Ich habe eine Laufbahn in der Verwaltung in Frankreich als Beamtin, im Informations- und Kulturbereich. Für diese Anstellung muß man eine Kontaktperson sein, PR-Arbeit machen, sich im Kulturbereich auskennen, wissen, wie man ein Theaterstück aussucht, wie man empfängt, die politische Arbeit bewältigt: die lokalen Institutionen sind ja unsere Partner! Wir wollen mit ihnen arbeiten, wir wollen keine Insel sein. Ich will auch nicht nur die ewigen Francophilen kontaktieren. Natürlich sind sie willkommen, aber das Interesse an Frankreich geht weit darüber hinaus.

Welches Frankreich denn eigentlich?

Ah! Diese Frage stellt man sich erst, wenn man hier ist. Ich werde hier konfrontiert mit Frankreich- Erwartungen und einem Bild, das ich gar nicht hatte oder nicht teile, z. B. dieser Vorwurf, elitär zu sein. Ich wäre nie darauf gekommen! Oder manchmal die französische Kolonial-Politik. Entweder sind die Bremer schärfer in ihrer Kritik als die übrigen Deutschen — oder vielleicht werde ich alt?? (lacht)

Wo sehen Sie das Politische in Ihrer Kulturarbeit?

Vor kurzem hatte ich einen Kontakt mit der Landeszentrale für politische Bildung. Wir könnten deutsch-französische Veranstaltungen zu sehr heißen Themen organisieren, zum Beispiel zum Asylthema, das Bodenrecht in Frankreich und das Blutrecht in Deutschland, das ist sehr interessant zu vergleichen!

Das hört sich nach frischem Wind an der Contrescarpe an!

Das ist total unsere Absicht. Wir leiden darunter, ein bißchen abgekapselt zu sein, das wurde mir schon vorgeworfen, bevor ich überhaupt angefangen hatte. Die Leute empfinden uns manchmal in diesem Haus, so wunderschön es ist, als ein bißchen elitär. Wir wollen Qualität machen, aber das ist etwas ganz anderes.

Wie sind denn Ihre finanziellen Möglichkeiten für Qualität? Stand das Bremer Institut nicht kurz vor dem Aus? Reicht Ihr Etat für Ihre Absichten?

Das Ministerium hatte die Schließung mal ins Auge gefaßt, das ist vorbei, sonst wäre ich nicht hier. Leider ist der Etat zwar nicht kleiner, aber auch nicht größer geworden. Man will sich öffnen, interessante Sachen machen, und sucht das Geld dafür.

Sind Sie in Bremen autonom in Ihren Haushaltsentscheidungen? Können Sie Ihr Geld für Büffets oder für Bilderrahmen ausgeben, wie Sie wollen?

Ja. Wir sind autonom, der Leiter entscheidet. Aber wir bleiben eine stark kontrollierte Behörde. Ich bin verantwortlich für die Balance des Haushalts. Ende 1991 hat sich übrigens wie die meisten der 24 deutschen Städte Bremen erstmalig finanziell beteiligt, wenn auch nur ganz bescheiden.

Die Institute wollen die Deutschen an Frankreich heranführen...

Die Modernität dieser Mission ist nicht so leicht zu begründen. Paris ist nicht mehr das Kulturmekka, das ist vorbei. Die Zeit des Schuldgefühls bei den Deutschen und auch die der Versöhnung ist vorbei. Man muß sehr interessante Sachen vorstellen.

Haben Sie Lieblingsgebiete?

Ja, ich habe in Frankreich im Theater gearbeitet und im Video- Bereich, und das wird sich schnell zeigen! Wir haben schon im März „Fräulein Else“ von Schnitzler, auf französisch, im Goethe-Theater, von einer tollen französischen Schauspielerin. Und im Juni kommen, hoffentlich, 10 bis 15 lateinamerikanische Videokünstler, die an einem internationalen Wettbewerb in Frankreich teilnehmen.

Und Kunstaustellungen?

Dafür gibt es in Bremen ganz tolle Galerien, da können wir mit unseren Räumen kein konkurrenzfähiges Angebot machen. Ich möchte lieber mit Galerien, mit dem Museum kooperieren.

Haben Bremens Kulturleitfiguren Sie denn ordentlich begrüßt?

Am Anfang war ich ein bißchen verzweifelt, denn niemand kommt von selbst zu mir, ich muß alles selbst herausfinden. Nicht, weil die Bremer verschlossen wären: Es liegt an der Position des Instituts, das habe ich eben geerbt. Es war nicht richtig im Zentrum der Bremer Kultur.

Bremen zeigt sich seit Wochen von seiner grauesten Seite... Hatten Sie zuvor ein Bremen-Image im Kopf?

Nein. Ich kannte Hamburg und Lübeck. Bremen ist eine sehr charmante Stadt, man muß aber einige Tage vor sich haben, um das sehen zu können, die Stadt gibt sich nicht so. Der Marktplatz ist ein Wunder, nachts! Auch diese Siedlungen, diese Altbremer Häuser, ich möchte da wohnen!

Haben Sie Heimweh? Was fehlt Ihnen?

Offen gesagt: das Essen. Französischen Wein gibt es ja viel!

Empfinden Sie Mentalitätsunterschiede?

Ein bißchen, aber meine Krise ist fast schon vorbei. Ich dachte manchmal: Warum sind sie so kaltfüßig? Der Kontakt ist ein bißchen kalt, auch in den Geschäften. — Es gibt aber immer weniger nationale und immer mehr europäische Identität. In ein paar Jahren muß man sich fragen, welche Identität die Institute haben werden; sie werden eine andere suchen müssen. Fragen: Susanne Paas

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