Statt Stakkato vielleicht Legato?

■ Ein nicht origineller aber unterhaltsamer Abend im Schlesischen Bahnhof

Sonntag abend fand im »Kato« im U-Bahnhof Schlesisches Tor der zweite Teil der ersten 92er Stakkato-Tage statt. Elf Musiker und mehr waren angekündigt, die in frei gewählter Zusammenstellung antraten.

Den Anfang machte ein Saxophon-Quartett mit Erik Balke und Jonas Akerblom an Bariton-, Dietmar Diesner Alt- und Sopran- und Thomas Borgmann ebenfalls Sopransaxophon. Die Musik des Quartetts war recht vermischt, soll heißen: recht postmodern und in vielerlei Gärten geerntet. Von Choralartigem über traditionelles Free-Jazz-Spiel bis hin zu statisch meditativen Klangfeldern wurde einiges abgeschritten und abschnittsweise zusammengeklebt. Etwas schade, daß dabei alle vier Musiker ein wenig risikoscheu in homogenem Gruppenklang verharrten — Kontrapunktierungen kamen fast gar nicht vor. Diesner griff wohl ein, wenn ihm eine Jan- Garbarek-Remineszenz von Thomas Borgmann zuviel wurde und gemahnte an den Titel der Veranstaltung mit aggressiven Stakkato-Passagen. Doch dann hängte sich der Rest der Truppe gleich hinten dran, sicherte sich gleichsam mit Ähnlichem ab. Falsch machen läßt sich auf diese Weise freilich wenig — nur große musikalische Momente erzeugt man so auch nicht.

Das folgende Duo mit Matthias Bauer am Baß und Hans Reichel an der Gitarre, wagte mehr. Reichel erzeugt auf seiner Elektrogitarre mit Hilfe allerlei ungewöhnlicher Spielweisen vielseitige musikalische Welten; viel Ethnologisches klingt dabei an: sei es chinesische Hofmusik oder gongartig balinesisch Nachhallendes. Besonders intensiv aber ist sein Spiel in hohen Flageolet-Bereichen, wobei er die Gitarrenseiten mit einem Bogen streicht.

Matthias Bauers Baßspiel steht dem nicht nach. Eindrucksvoll, welch vielschichtig musikalischen Gebilde er seinem Instrument zu entlocken vermag. Er spielt mit der linken Hand tiefe Baßläufe, während er, mit dem Bogen in der anderen Hand, die Saiten an den Wirbeln streicht und so hohe, gleißende Töne erzeugt. Die beiden Musiker ergänzen und verstehen sich offenbar gut, schlendern quasi beide durch locker aneinandergefügte Räume, praktizieren furchtlos die Kunst, sich an ihre Klänge zu verlieren.

Der Bassist Jay Oliver übernahm gemeinsam mit dem Tuba-Spieler Melvyn Poore und Martin Mayes am french horn den ersten Teil der zweiten Hälfte des Abends. Leider schienen die beiden Blechbläser dem immer swingenden, klangschönen und eher konservativen Baßspiel Jay Olivers nicht gewachsen, wirkten neben ihm eher wie etwas hilflos zugesellte klassische Musiker, obwohl ein paar, vielleicht gerade auf diesem Gegensatz beruhende, intensive Stellen gelangen.

Zum Abschluß waren nochmals die beiden Bariton-Saxophonisten auf der Bühne, um gemeinsam mit dem Gitarristen Valerij Dudkin zu musizieren. Das war recht nett und ein hübscher Abschluß.

Für die Namen der hier erwähnten Musiker ist kaum volle Verantwortung zu übernehmen, da Ansagen leider nicht stattfanden und es sich so recht schwierig gestaltet, vier Saxophonisten jeweils ihren Namen zuzuordnen. Vielleicht ist die alte Gepflogenheit, Musiker vor oder nach ihrem Auftritt namentlich vorzustellen, in solch einem Zusammenhang doch ganz sinnvoll.

Letztendlich aber waren die Stakkato-Tage — außer Diesners oben erwähnten Stakkato-Eskapaden wäre diesmal allerdings »Legato-Tage« ein treffenderer Titel gewesen — wieder mal ein abwechslungsreiches, spannendes Improvisationsereignis. Marc Maier