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Die Isolation überwinden

■ Selbsthilfegruppe für Schlaganfallbetroffene

»Ich habe acht Stunden warten müssen, ehe ich angemessen ärztlich versorgt wurde. Der Notarzt kam und sagte: ‘Wenn sich das bis morgen früh nicht gegeben hat, dann melden Sie sich wieder.‚ Dabei sind die ersten Stunden beim Schlaganfall so wichtig, damit die Hirnblutung nicht weitere Regionen schädigt.« Die eigenen leidvollen Erfahrungen waren es, die den pensionierten Ökonomen Karl Hausmann dazu bewegten, sich für die Belange von Apoplektikern einzusetzen. Gemeinsam mit einem Westberliner leitet der Karlshorster die Berliner »Selbsthilfegruppe für Schlaganfallbetroffene und gleichartig Behinderte e.V.«. Auf Bundesebene existiert der Verband seit 1988. Die Schlaganfallbetroffenen sind also — im Verhältnis zu anderen Behindertengruppen — erst relativ spät mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit getreten — möglicherweise ein Zeichen für die starke Vereinzelung, die der Schlaganfall mit sich bringt.

Die Berliner Gruppe existiert seit April letzten Jahres und hat sich zur Aufgabe gemacht, das öffentliche Wissen zum Thema Apoplex zu verbessern. Hausmann: »Das Thema Schlaganfall ist im öffentlichen Bewußtsein im Vergleich zum Herzinfarkt oder zu Aids unterrepräsentiert, obwohl die gleichen Faktoren wie beim Herzinfarkt eine Rolle spielen. Am schlimmsten ist wohl, daß — auch bei vielen Ärzten — die Meinung vorherrscht, nach einem Schlaganfall sei nicht mehr soviel zu machen; und das obwohl die Fachmediziner sagen, es sei noch sehr viel zu machen — das ist nur noch nicht so bekannt«.

Aufklärung der Öffentlichkeit ist jedoch nur eines der Ziele der Berliner Gruppe. Ihren Mitgliedern geht es vor allem darum, sich selbst zu helfen. Das gilt auch für ihre engsten Angehörigen, die sich ebenso schlagartig wie die Betroffenen vor vollkommen neue Aufgaben gestellt sehen. Außenstehende könnten sich oft weder die Depressionen noch die Isolation vorstellen, die ein solcher Schicksalsschlag mit sich bringe, berichtet Karl Hausmann: »Diejenigen unserer Mitglieder können von Glück sagen, bei denen sich in den sozialen Kontakten nichts verändert hat. Aber bei den meisten haben sich ganz enorme Einschnitte ergeben: Der Beruf kann meistens nicht mehr ausgeübt werden. Viele Bekannte ziehen sich zurück. Bisherige Hobbys fallen weg. Manche Familien gehen aufgrund der Probleme auseinander. Auch 30- bis 40jährige sind vom Schlaganfall betroffen, besonders da kommt es dann zu sexuellen Problemen zwischen Mann und Frau.« Für viele Betroffene ist es also am wichtigsten, in der Gruppe überhaupt wieder Kontakte knüpfen zu können und so aus Vereinzelung und Resignation herauszufinden. Hierzu wird den Mitgliedern ein Veranstaltungsprogramm angeboten. Peter Tomuscheit

Weitere Informationen bei SEKIS, Albrecht-Achilles-Straße 65, 1/31, Tel.: 8926602 (West-Berlin) oder beim Seniorenclub, Wilhelm-Pieck- Straße 203 (Mitte), Tel.: 2821921 (Ost-Berlin).

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