: Polizeipräsident warnt vor Polizeistaat
■ Düsseldorfer Polizeipräsident übt scharfe Kritik an neuem Berliner Polizeigesetz/ »Jederzeit kann jedermann kontrolliert werden«/ Verdeckte Ermittler erfolglos/ FDP-Entwurf verfassungskonform
Berlin. Dreimal ließen sich Beamte der Düsseldorfer Polizei an eine andere Behörde ausleihen und als verdeckte Ermittler in das Milieu der Drogenhändler schicken. Keiner der drei Polizisten, so der Düsseldorfer Polizeipräsident Hans Lisken gestern vor dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses, kehrte zurück, zumindest nicht in den ordentlichen Polizeidienst. Der eine ruinierte seine Leber, nachdem er sich eine Heroinspritze hatte ansetzen lassen, der zweite wurde im Ausland selbst »hochgradig kriminell«, und über das Schicksal des dritten wollte Lisken »lieber schweigen«.
Die Düsseldorfer Drogenfahndung, so der rheinländische Polizeipräsident, komme gut ohne verdeckte Ermittler aus. Lisken sollte auf Einladung der Grünen den Berliner Abgeordneten seine Meinung über das novellierte Berliner Polizeigesetz ASOG (»Allgemeines Sicherheits- und Ordnungs-Gesetz«) mitteilen, das den Einsatz verdeckter Ermittler erstmals ausdrücklich erlauben soll.
Der Düsseldorfer Polizeipräsident, seit elf Jahren im Amt, ließ kaum ein gutes Haar an dem ASOG- Entwurf von CDU und SPD. Das Gesetz ermögliche es, kritisierte Lisken, daß »jedermann jederzeit ohne konkreten Grund kontrolliert werden kann«. Die Polizei erhalte »rechtsstaatwidrige« Möglichkeiten zur Informationssammlung. Die unklare Definition derjenigen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel rechtfertigen sollten, führe dazu, daß diese Frage »der beliebigen Definitionsmacht des jeweiligen Amtswalters« überlassen werde. »Das ist der Zugriff auf jedermann ohne jeden konkreten Grund«, so Liskens eindeutige Folgerung. »Das ist der Polizeistaat.«
Hilfreicher für die Polizei wäre nach Liskens Ansicht eine Personalaufstockung sowie das Recht, Einblick in die von den Banken verwalteten »Geldströme« zu erhalten, über die die Drogenprofite gewaschen würden. Solange Alkohol- und Zigarettenmißbrauch erlaubt seien und die Geldwäsche kaum verfolgt werde, sei der Einsatz verdeckter Ermittler in der Drogenfahndung nur schwer zu rechtfertigen, argumentierte der Polizeipräsident. Sonst, so Lisken, laufe die Polizei Gefahr, ihr wichtigstes Kapital zu verspielen, nämlich »das Vertrauen des Publikums«.
Der Berliner Gesetzentwurf orientiere sich zwar an den Polizeigesetzen anderer Bundesländer, räumte Lisken ein. Das bedeute jedoch nicht, daß er damit verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Lediglich der Alternativentwurf der FDP, so der Düsseldorfer, sei wenigstens »vergleichsweise verfassungskonform«.
Der zweite Experte, den die Abgeordneten gestern hörten, äußerte sich moderater. Dieter Wilke, Präsident des Oberverwaltungsgerichts und von der CDU zu der Anhörung eingeladen, konnte im ASOG-Entwurf keine »eindeutigen, offenkundigen Gesetzesverstöße« entdecken. »Nicht unproblematisch« fand der Gerichtspräsident allerdings die Tatsache, daß auch schlichte Ordnungswidrigkeiten denjenigen Straftaten gleichgestellt werden, die weitreichende Polizeieingriffe erlauben sollen. hmt
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