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Anzeigen wegen Sexualdelikten stark zugenommen

■ Kripo-Abteilungsleiter für Sexualstraftaten: Zunahme der aktenkundig gewordenen Sexualstraftaten »einigungsbedingt«

Berlin. Die Kriminalpolizei hat im vergangenen Jahr so viele Sexualstraftaten wie nie zuvor verzeichnet. Wie der Leiter der Kripo-Abteilung für Sexualdelikte, Richter, auf Nachfrage der taz erklärte, wurden 1991 rund 500 Anzeigen wegen Vergewaltigung, 215 Anzeigen wegen sexueller Nötigung und 1.020 Anzeigen wegen sexuellen Kindesmißbrauchs bearbeitet.

Im Vergleich dazu die Zahlen der Vorjahre, nur für West-Berlin: angezeigte Vergewaltigungen 334 (1990) und 318 (1989), sexuelle Nötigungen 154 (1990) und 130 (1989), sexueller Kindesmißbrauch 643 (1990) und 727 (1989). Die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt. Allein bei Vergewaltigungen geht die Kripo davon aus, daß nur jede zehnte Tat bei der Polizei aktenkundig wird. Bei sexuellem Kindesmißbrauch schätzen Beratungsstellen, daß auf jede entdeckte Mißhandlung 20 bis 30 Taten kommen, die im dunkeln bleiben.

Von einer drastischen Zunahme der Sexualstraftaten wollte Abteilungsleiter Richter gestern allerdings nicht sprechen. Zur Begründung verwies er auf die interne Faustregel der Kripo, die besage, daß anlog zur Zunahme der Bevölkerung um 60 Prozent — durch die Zusammenlegung der Ost- und Westberliner Stadthälften — auch die Deklikte um 50 bis 60 Prozent zunehmen würden. Nur beim sexuellen Kindesmißbrauch, so Richter, sei die Zahl höher als erwartet ausgefallen. Es sei durchaus möglich, daß die Zunahme der Sexualdelikte »rein einigungsbedingt« sei und es sich — abgesehen vom sexuellen Kindesmißbrauch — um »eine normale Steigerung« handele. Eine endgültige Aussage darüber könne aber nicht gemacht werden, weil keine Zahlen aus der Ex-DDR vorlägen. Aufgefallen ist dem Abteilungsleiter des Dezernats für Sexualdelikte die größere Brutalität der Täter, die sich in Ost- Berlin sexuell an Kindern vergangen hätten. Als Beispiel nannte Richter einen Fall vom Frühjahr 1991, wo ein kleiner Junge in einem leerstehenden Haus im Bezirk Mitte schwer mit einem Messer verletzt wurde. In West-Berlin hätten die Täter ihre Opfer bisher »mehr« mit Waffen »bedroht als verletzt«. Seit einigen Monaten, so Richter, habe diese Form der Gewaltausübung in Ost-Berlin jedoch abgenommen.

Im Gegensatz dazu war die Zahl der versuchten und vollendeten Tötungsverbrechen im vergangenen Jahr in Gesamt-Berlin niederiger als 1989 in West-Berlin. So registrierte die Kripo im vergangenen Jahr 108 versuchte und vollendete Tötungen und Morde. In neun Fällen wurde von Sexualmorden ausgegangen. 1990 wurden 113 versuchte und vollendete Tötungsdelikte begangen, wobei die Ostberliner Taten in diese Statistik erst ab 3. Oktober einbezogen wurden. 1989 waren in West- Berlin 122 Kapitalverbrechen registriert worden. plu

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