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DGB: 1992 „schwerstes Jahr“ nach Einigung

Düsseldorf (taz) — Das Jahr 1992 wird nach Auffassung des DGB- Vorsitzenden Heinz-Werner Meyer „mit hoher Wahrscheinlichkeit das schwerste Jahr des Einigungsprozesses werden“. Meyer warf der Bundesregierung und den westlichen Regierungen insgesamt vor, sich angesichts „der sozialen Zeitbomben, die in Osteuropa ticken, zugeknöpft und zaudernd“ zu verhalten. Humanitäre Hilfsprogramme seien zwar nötig und nützlich, aber völlig unzureichend. Meyer wörtlich: „Sie verlängern nur die Zündschnur, sie entschärfen nicht den Sprengstoff.“

Der DGB selbst will das Thema „Teilen“ unter nationaler wie internationaler Perspektive „offensiv aufgreifen“. National habe im vergangenen Jahrzehnt die „soziale Ungerechtigkeit die Oberhand gewonnen“, weil sich die Vermögens- und Einkommensverteilung wesentlich zum Vorteil der Arbeitgeber verschoben habe. So seien die Bruttogewinne in der Industrie von 1982 bis 1989 um 79 Prozent gestiegen, gleichzeitig die Beschäftigung aber um 2 Prozent gesunken. Zwar sei es richtig, daß es dem deutschen Durchschnittsverdiener im internationalen Vergleich gut gehe, aber der DGB werde nicht auf die konservative Strategie reinfallen, die „den Durchschnittsverdiener zum Maßhalten anhält, um den Reichen und Einflußreichen ihr Übermaß zu sichern“.

„Haß macht dumm“, so lautet das Motto einer DGB-Kampagne gegen die Ausländerfeindlichkeit. Mit gewerschaftlicher Bildungsarbeit, mit Plakat- und Anzeigenserien will der DGB nach den Worten seines Vorsitzenden versuchen, „der Fremdenfeindlichkeit überhaupt ihre schweigende Mehrheit zu entziehen“. Als weiteren Schwerpunkt für 1992 nannte Meyer den Kampf um die „Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen“. Dabei wolle man den eigenen Apparat keineswegs ausschließen. Ginge es nach dem Willen von Meyer, dann wäre ein hoher Funktionärsjob schon bald frei. Meyer hält es für mit dem DGB- Amt „nicht verträglich“, daß sich sein Vize Ulf Fink zum Vorsitzenden der CDU in Brandenburg hat wählen lassen. Der bis 1994 zum DGB-Vize gekürte Fink, der während der Pressekonferenz direkt neben Meyer saß, erinnerte an die zahlreichen Verbindungen zwischen der SPD und dem DGB. So habe der frühere DGB- Vorsitzende Vetter der SPD sogar als Spitzenkandidat bei der Europawahl gedient.

Etwas Neues will der DGB auf dem Gebiet der Streitkultur wagen. Wie Meyer mitteilte, sollen noch in diesem Jahr die Vorraussetzungen zur Gründung einer „Kritischen Gwerkschaftlichen Akademie“ untersucht werden. Das Projekt liegt in den Händen von taz-Mitarbeiter Martin Kempe. Kempe schwebt eine Akademie „nach dem Vorbild der kirchlichen Akademien“ vor, die sich inhaltlich aber insbesondere der „sozialen Frage“ widmen soll. Organisatorisch wird eine „Vernetzung“ mit den Gewerkschaften angestrebt, die die „inhaltliche Freiheit der Akademie gewährleistet“. Walter Jakobs

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