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Behandlungszentrum für Folteropfer eröffnet

Erstmals in der Bundesrepublik können in Berlin Folteropfer integriert seelisch und körperlich behandelt werden/ Spenden erwünscht  ■ Aus Berlin Ute Scheub

Im Berliner DRK-Klinikum Westend ist ein Zentrum zur integrierten psychischen und physischen Behandlung von Folteropfern eröffnet worden — das erste dieser Art in der Bundesrepublik. Ein Team von ÄrztInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und PhysiotherapeutInnen betreut hier bereits die ersten 16 PatientInnen aus Uganda, Angola, Pakistan, Palästina, dem Iran und Irak und der Türkei, die ihm von Organisationen der Flüchtlingshilfe zugewiesen wurden. Doch schon jetzt ist klar, daß der Bedarf weit höher liegt als die vorhandenen Plätze. Auch ehemalige Stasi-Opfer haben sich dort schon zu Kontaktgesprächen über eine mögliche psychologische Behandlung gemeldet, und das Mitarbeiterteam steht in Verbindung zu dem Schriftsteller und Psychologen Jürgen Fuchs.

Träger des Zentrums ist der vor anderthalb Jahren gegründete gemeinnützige Verein „Behandlungszentrum für Folteropfer e.V.“, in dessen Beirat unter anderem der Präsident der Bundesärztekammer Karsten Vilmar, der Schriftsteller Bahman Nirumand und zwei Richter am Bundesverfassungsgericht sitzen. Auch die Berliner Ärztekammer, die sich im Jahre 1989 mit einer Ausstellung zur Medizin im Dritten Reich hervortat, unterstützt die Einrichtung aktiv. „An Folter und Mißhandlungen sind immer auch Ärzte beteiligt“, so Vereinsmitglied Helmut Becker von der Ärztekammer, der das Zentrum als eine Art „späte Wiedergutmachung“ an den Opfern der Nazi-Mediziner sieht. Becker wies außerdem darauf hin, daß bald auch in Diyarbakir im türkischen Teil Kurdistans mit Hilfe Berliner Ärzte ein ähnliches Behandlungszentrum errichtet werden soll.

Auch mit den schon vorhandenen Zentren in Kopenhagen, London und Paris ist eine enge Kooperation geplant, da es in Deutschland bislang nur wenig Erfahrung mit Therapien für Folteropfer gibt. Und gänzlich, so schränkten die MitarbeiterInnen ein, seien die seelischen Folgen solcher „Extremtraumatisierung“ wohl niemals zu beseitigen, auch wenn physiotherapeutische Behandlungsmethoden den PatientInnen ein schmerzfreies neues Verhältnis zu ihrem Körper vermitteln könnten.

Was die typischen psychischen Spätfolgen wie zum Beispiel Konzentrations- und Schlafstörungen, Angstzustände (eher bei Frauen) oder Aggressivität (eher bei Männern) angehe, müßten „neue Formen“ der Psychotherapie erprobt werden, da die klassischen eine „europäische Erfindung“ seien und das Verbale in anderen Kulturen eine geringere Rolle spiele. Auch andere kulturelle Schranken seien zu berücksichtigen: „Eine orientalische Frau kann in Gegenwart eines männlichen Dolmetschers nicht zugeben“, so der Arzt Dr. Hassan Mohamed-Ali, „daß sie vergewaltigt worden ist.“

Mit einer Million Mark Zuschuß trägt das Bundesministerium für Familie den Hauptteil der Kosten von jährlich 1,6 Millionen. Der Rest muß durch Spenden aufgebracht werden, da der Berliner Senat trotz „viel Zustimmung“ zu dem Projekt bislang keine müde Mark herausrückte.

Spendenkonto des Zentrums Folteropfer, Spandauer Damm 130, 1000 Berlin 19: Konto Nr. 000 3074234, Deutsche Apotheker und Ärztebank, BLZ 100 906 00.

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