Schröder: Asylpläne bauen Rechtsstaat ab

 ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Die Vorschläge von Rudolf Seiters dienten weder real der Beschleunigung der Asylverfahren, noch genügten sie rechtstaatlichen Grundsätzen — mit diesen Worten bekräftigte Ministerpräsident Gerhard Schröder gestern die Kritik Niedersachsens an jenem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers, den auch die SPD-Bundestagsfraktion als Grundlage für eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes akzeptiert hat. Die Bonner Pläne „bauen“ nach Aussage von Schröder „den Rechtsstaat für die betroffenen Flüchtlinge komplett ab“. Der Gesetzentwurf steht für den Ministerpräsidenten aber auch im Widerspruch zu den Grundsätzen zur Beschleunigung der Asylverfahren, auf die sich CDU, CSU, FDP und SPD im vergangenen Oktober geeinigt hatten. Verwundert zeigte er sich daher über die SPD-Bundestagsfraktion, die nur noch Einzeländerungen an dem Seiters-Entwurf durchsetzen will.

Als „mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar“ bezeichnete Schröder die im Bonner Entwurf vorgesehene drastische Verkürzung der Fristen für Klagen oder Widersprüche von Flüchtlingen. Damit werde eine ordnungsgemäße anwaltliche Vertretung von Flüchtlingen praktisch unmöglich. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen für Asylverfahren vor Gerichten seien ausreichend und müßten nicht geändert werden. Die vorgesehenen speziellen Einzelrichter für Asylklagen lehnte Schröder ebenso ab wie den Seiters-Vorschlag, den Gerichten für diese Klagen Entscheidungsfristen zu setzen. Dies sei ein unzulässiger Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit.

Im Hinblick auf die zahlreichen neuen Möglichkeiten zur Inhaftierung von Flüchtlingen, die der Bonner Entwurf vorsieht, sagte der Ministerpräsident: Für Abschiebehaft gebe es keinerlei generelle Notwendigkeit, der größte Teil der abgelehnten Flüchtlinge würde heute die Bundesrepublik freiwillig verlassen. Schröder sagte, durch die von Seiters vorgesehenen Sammellager mit bis zu 1.000 Flüchtlingen würden „Gewaltaktionen gegen Ausländer geradezu provoziert“.

In Sachen Verfahrensbeschleunigung vermißt der Ministerpräsident in dem Seiters-Papier ein Ende der doppelten Befragung der Flüchtlinge nach den Asylgründen durch die Ausländerbehörden und das Zirndorfer Bundesamt. Ebenso fehlt für ihn in den Vorschlägen des Bundesinnenministers die ebenfalls im Oktober vereinbarte personelle Aufstockung des Bundesamtes. Nur durch die Neueinstellung von 1.000 zusätzlichen Beamten beim Bundesamt könne der dortige Berg von 250.000 unerledigten Asylverfahren abgebaut werden, sagte Schröder.