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Papandreou aus dem Schneider

■ Athener Sondergericht sprach Ex-Premier vom Korruptionsvorwurf frei/ Zwei seiner Minister zu geringen Strafen verurteilt/ Der schwerstbelastete Angeklagte während des Prozesses gestorben

Athen (taz/dpa) — Der ehemalige griechische Ministerpräsident Andreas Papandreou, der im März vergangenen Jahres der Mitschuld an dem mit 200 Millionen Dollar schwersten Korruptionsskandal der griechischen Geschichte angeklagt wurde, ist gestern in allen Punkten freigesprochen worden. Ein 13köpfiges Sondergericht entschied mit der hauchdünnen Mehrheit von sieben zu sechs Stimmen, daß Papandreou, dessen sozialistische Regierung 1989 über den Skandal gestürzt war, keine juristische Schuld an den Machenschaften des Bankiers Georgios Koskotas trägt. Ein Einspruch gegen das Urteil ist nicht möglich.

Papandreou und seine Vertrauten sollen 1984 dem damals 30 Jahre alten Koskotas den Kauf der „Bank von Kreta“ ohne die erforderlichen Papiere ermöglicht haben. Dort wurden dann trotz extrem niedriger Zinsen die Einnahmen zahlreicher staatlicher Institutionen deponiert. Mit dem Staatsgeld soll Koskotas innerhalb weniger Jahre ein Wirtschaftsimperium aufgebaut haben. Ende der 80er Jahre, als der geflohene Koskotas bereits in einem amerikanischen Gefängnis saß und auf seine Auslieferung nach Griechenland wartete, wechselte er die Seite: Aus der Gefängniszelle heraus überschüttete er seinen alten Gönner Papandreou mit schweren Vorwürfen.

Nach dem zehnmonatigen spektakulären Verfahren, bei dem 109 Zeugen auftraten, konnte das Gericht dennoch keine ausreichenden Beweise zur Untermauerung der Anklage finden. Dieses Dilemma macht die Urteilsverkündung deutlich. Papandreou mußte sich unter anderem wegen der Annahme von Diebesgut, der Bestechlichkeit im Amt und der Anstiftung zur Veruntreuung staatlicher Gelder verantworten.

Einen Ausgleich für den Freispruch Papandreous versuchte das Gericht mit der Verurteilung von zwei seiner ehemaligen Minister zu schaffen. Gemessen an den ursprünglichen Vorwürfen sollen der frühere Finanzminister Tsovolas und der ehemalige Minister für Raumordnung Petsos allerdings nur wegen geringfügiger Vergehen bestraft werden. Tsovolas muß für die Deckung eines unrechtmäßigen Schuldentilgungsverfahrens zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis oder 900.000 Drachmen (circa 8.000DM) Geldstrafe zahlen. Petsos wurde verurteilt, weil er zuließ, daß Koskotas in einem Athener Vorort ein größeres Gebäude hochzog, als dies die Bauordnung erlaubt. Seine zehnmonatige Gefängnisstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Das am schwersten belastete Kabinettsmitglied, der ehemalige Justizminister und langjährige Intimus von Papandreou, Agamemnon Koutsogiorgos, war während des Prozesses gestorben. Gegen ihn gab es die deutlichsten Beweise wegen Bestechlichkeit und Veruntreuung.

Der 72jährige sozialistische Parteichef Papandreou feierte den Freispruch als politischen Erfolg. Dem Prozeß, den er als eine politische Verschwörung bezeichnete, war Papandreou von Anfang an fern geblieben. Auch zur Urteilsverkündung erschien er nicht.

Für den konservativen Regierungschef Mitsotakis ist der Freispruch seines Gegenspielers eine bittere Pille. Das Verfahren gegen Papandreou war überhaupt erst zustande gekommen, nachdem Mitsotakis' konservative „Nea Demokratia“ und die Kommunisten die „Katharsis“ (Reinigung) der Politik zu ihrem Programm gemacht hatten. Papandreou, der sich monatelang aus der Politik zurückgehalten hatte, will sich künftig wieder verstärkt zu Wort melden. Als erstes verlangte er gestern bereits Neuwahlen. dora

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