: Jahrestag in Bagdad
■ Saddam Hussein räumt in seiner Rede an die Iraker militärische Niederlage gegen die Allianz ein, doch den moralischen Sieg reklamiert er für sich und den Irak/ Nächtliche Kundgebungen in Bagdad und ein Orden des Parlaments für Saddam Hussein
Bagdad (dpa) — Als vor einem Jahr amerikanische und britische Kampfflugzeuge Tausende von Bomben auf die irakische Hauptstadt warfen, schwärmten amerikanische Piloten: „Bagdad leuchtet wie ein Weihnachtsbaum“; andere verglichen das Bombardement mit einem „phantastischen Feuerwerk“ — kaum jemand gab der irakischen Führung eine Überlebenschance.
Auf die Stunde genau ein Jahr später wälzten sich Freitag nacht Demonstrationszüge durch die Hauptstadt am Tigris: Kurdische und arabische Jugendliche bekundeten ihre „Loyalität zum siegreichen Saddam Hussein“, in Sprechchören beschworen sie ihre „Liebe zu Saddam“ und skandierten „Nieder mit Bush“. Außerdem demonstrierten sie gegen die anhaltenden Sanktionen der Vereinten Nationen gegen den Irak. Zu den Demonstrationen hatten die Jugendverbände der Baath-Partei aufgerufen.
Vom irakischen Parlament bekam Staatschef Saddam Hussein einen „Orden des Volkes“ verliehen. Ungeachtet der Vertreibung der irakischen Armee aus Kuwait, der schweren Zerstörungen durch die Alliierten und wahrscheinlich Zehntausender gefallener irakischer Soldaten, ungeachtet des großen Elends im Irak und der ungezählten Toten in der Zivilbevölkerung: Die Führung in Bagdad versteht es, sich als Sieger der „Mutter aller Schlachten“ darzustellen.
„Unter militärischen Gesichtspunkten wurde der Aufmarsch der Gläubigen besiegt, während die Mobilisierung der Untreue, des Lasters und der Korruption triumphierte“, erklärte Saddam Hussein in seiner Ansprache zum Jahrestag des Kriegsbeginns, die in Radio und Fernsehen übertragen wurde. Zwar räumte er damit indirekt ein, den Golfkrieg verloren zu haben. Doch den moralischen Sieg reklamierte er für sich, für den Irak, kurz, für die „Kräfte des Glaubens“. Die „Gläubigen“ des Irak hätten den Krieg gegen die multinationale Allianz gewonnen. Seine Rede war voller religiöser Symbole, Zitate und Anspielungen. Im Golfkrieg hätten „Ungläubige und Verräter mit Hilfe des Teufels die Gläubigen“ angegriffen.
Natürlich vertrat er die Position, der Irak bräuchte weiterhin eine schlagkräftige Armee: „Ein starkes Land braucht eine starke Armee.“ Die „dreißig Staaten“ der Alliierten hätten nach sechsmonatigen Sanktionen und nach einem Propagandakrieg einen militärischen Angriff auf den Irak geführt. Doch jeder „freie Araber“ sei „auf der Seite des Irak“ gewesen. Mit Blick auf die Stationierung der Truppen der multinationalen Allianz in Saudi-Arabien verurteilte er den Golfkrieg erneut als einen Krieg, der von den „heiligen Stätten aus geführt“ worden sei.
Bagdad am Donnerstag abend: Ein ganz normales islamisches Wochenende, in den Restaurants für die wohlhabenden Schichten herrscht der übliche Andrang, das Leben pulsiert. Gegen 2.30 morgens (0.30 MEZ) — pünklich zum Zeitpunkt der ersten Bombardierungen vor einem Jahr — werden zumeist jugendliche Demonstranten mit Bussen in die Innenstadt gebracht. Die Straßen sind abgesperrt. Es herrscht Siegesstimmung. Junge Leute tanzen; Jugendliche aus allen Landesteilen und aus anderen arabischen Ländern sind dabei, auch einige Minister. „Die Mutter aller Schlachten“, heißt es auf Spruchbändern, „ist die Quelle der Würde der Araber.“
Saddam Hussein genießt seinen großen Fernsehauftritt aus Anlaß des Jahrestages. Gekleidet in Militäruniform, angetan mit der Schärpe eines neuverliehenen „Ordens des Volkes“, zitiert er gleich mehrmals den Koran, brandmarkt die saudischen Verräter, die „Ungläubige“ in das Land Mekkas gelassen hatten, und spricht immer wieder von „Aggression“ gegen sein Land. Kuwait und die irakische Besatzung sowie den anschließenden Abzug aus dem Ölemirat blieben unerwähnt.
Während von amerikanischer Seite jüngst wieder indirekte Appelle zum Sturz von Saddam Hussein ausgingen, hatte der starke Mann in Bagdad vor allem einen Trumpf vorzuweisen — trotz „Operation Wüstensturm“ nach wie vor an der Macht zu sein. Und jüngst meinte er, die irakische Herausforderung an die stärksten Militärnationen der Welt könne anderen Staaten Arabiens und der Dritten Welt als Beispiel gelten. Peer Meinert
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