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Serbien beansprucht kroatisches Gebiet

Waffenstillstandslinien sollen künftige Grenzen eines „Klein-Jugoslawien“ sein/ Planspiele um Mazedonien  ■ Aus Ljubljana Roland Hofwiler

Die ersten UN-Offiziere sind von Belgrad aus an ihre Einsatzorte gereist. Entgegen früheren Ankündigungen sollen sie auch in Knin, der Hauptstadt der selbsternannten „Serbischen Republik Krajina“, in Kroatien Stellung beziehen und die Einhaltung des Waffenstillstands sichern. Für die Serben sind die derzeitigen Waffenstillstandslinien auch die Grenzen eines künftigen „Klein- Jugoslawien“, das nach der internationalen Anerkennung Kroatiens und Sloweniens auf jeden Fall bestehen bleibe. Zu diesen besetzten Gebieten Kroatiens — immerhin ein Drittel der kroatischen Staatsfläche — käme noch die bunt gemischt bewohnte zentraljugoslawische Republik Bosnien. Und, so fordern manche, Kroatien müsse Kriegsreparationen an das serbische Volk entrichten, da es den Krieg „aus faschistischen Motiven“ heraus begonnen habe.

Sind die Blätter in Belgrad etwas zurückhaltender und kommen aus Politikermund „gemäßigtere“ Töne, so suggerieren diese Stimmen immer das gleiche: Serbien unterstütze die Entsendung der UNO-Blauhelme, da diese „serbisches Territorium“ in Kroatien beschützen werden, bis Kroatien „Grenzverschiebungen“ zugestimmt habe. Die große Tageszeitung 'Politika‘ meint in diesem Zusammenhang, der Anerkennungsbeschluß der EG-Staaten sage nämlich noch nichts über die neuen völkerrechtlichen Grenzen auf dem Balkan aus. Und der „Staatspräsident“ des ehemaligen jugoslawischen Staatspräsidiums, Borisav Jovic unmißverständlich: „Die neuen Grenzen zu Kroatien verlaufen an den Waffenstillstandslinien.“ Da die kroatische Serbenenklave Krajina von nun an unter UNO-Schutz stehe, falle sie nicht mehr unter die Souveränität Kroatiens und könne eben auch nicht mehr Teil Kroatiens werden.

Dieser Standpunkt kommt dem der radikalen Serbenführer, dem selbsternannten Präsidenten der Krajina, Milan Babic, und den Generälen der Bundesarmee sehr nahe. Diese haben sich schon auf das „neue Jugoslawien“ eingestellt. Anfang der Woche wurde das „neue Jugoslawien“ bereits in neue Militärbezirke eingeteilt. Gab es bisher fünf, galt der letzte für die Gegend um Zagreb und Slowenien, so gibt man sich jetzt mit vier Bezirken zufrieden. Größte Veränderungen dabei: die bosnische Hauptstadt Sarajevo wurde zum neuen Hauptsitz der Armee erkoren. Die Luftwaffe und Kriegsmaschine, im Tito-Jugoslawien eigene Einheiten, wurden direkt dem Generalstab unterstellt. Der Freischärlerführer Vladimir Vukovic, der die Kämpfe um die „Befreiung der Krajina“ mitkoordinierte, ist nun plötzlich Chef des bosnischen Armeekorps von Banja Luka.

Bei den Planspielen der Militärs und serbischen Politiker ist nach wie vor offen, was aus Mazedonien werden soll, eine Republik, die bisher international noch nicht anerkannt wurde. Für manche Serben muß auch Mazedonien Teil eines „neuen Jugoslawien“ bleiben. Um dies zu unterstreichen, reiste am Donnerstag der serbische Präsident Milosevic zu einem Blitzbesuch nach Athen. Doch die derzeitige Achse Athen-Belgrad ist wohl nur von kurzer Dauer. Griechenland, das wie Serbien gegen einen neuen Staat Mazedonien agiert, kann sich von den stärkeren Partnern in Europa nicht abkoppeln, die auch Mazedonien als neuen Staat in die europäische Staatengemeinschaft aufnehmen wollen.

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