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Aller Anfang...

■ Weserburg lockt mit erster kleiner Sonderausstellung / Großteils selbst eingekauft

Fotos: Wolfram Steinberg

Viele kleine Denkwürdigkeiten hat sich das Neue Museum Weserburg zeit seines Daseins schon geangelt. Seit Samstag können wir sie abflanieren in den zwei Räumen — klein, aber sein —, die das Museum für Wechselausstellungen noch übrig hat: ein frühes Eisenrohr zum Beispiel von Ulrich „Säge“ Rückriem; schwindelmachende Bohrplatten von Mechthild Frisch, geb. Nemeczek; unergründliche Preßspankästchen von Willi Kopf; oder auch ein wunderschön schwarzrot mit Schreibmaschine behämmertes Blatt: die selbstverfaßte einseitige Biographie des August Walla. Mit ihm arbeitet seit langem der österreichische Psychiater Leo Navratil.

Wallas Arbeit könnte, sagt Direktor Deecke, gut der Anfang einer neuen kleinen Sammelabteilung sein: Kunst von psychisch Kranken. Auch die andern Werke sollen übrigens nicht nur gezeigt, sondern hinterher dem Bestand des Museums einverleibt werden. Zum großen Teil handelt es sich um Neuerwerbungen, bestritten aus dem knappen Ankaufsetat von insgesamt 300.000 Mark im Jahr.

Das Lockmittel solcher Wechselausstellungen aber will Direktor Deecke keineswegs forcieren, obwohl das Publikum immer zögerlicher einträufelt (im Startvierteljahr waren es gerade 20.000). Schon gar nicht sollten dafür, so Deecke, Teile der Dauerbestände vorübergehend verschwinden müssen. Mit der ersten großen Sonderschau (Arbeiten Roman Opalkas) kann Deecke noch ins Forum Langenstraße ausweichen. Dort hat auf Dauer

Moderne Kunst:

Halbkugel auf Stuhlbeinen

auf Tisch

aber unter Senatorin Trüpel das Fotoforum die weitaus besseren Karten.

Die laufende Ausstellung heißt umso unergründlicher Aller Anfang... mit drei Grübelpunkten hinterdrein; und gleich im ersten Raum mengt sich ins eigne Sinnen das Raunen der Konzepte: da hängen von Wolfgang Michael Beiträge zur Unendlichen Geschichte der Monochromie; gegenüber ein aschgraues Quadrat von Gaylen Gerber, auf dem mit knapper Not trübe Gestalten zu entdecken sind: das ist ein durchtriebenes Spiel mit der Restinformation, welche von der Farbfläche noch nicht (weiß man's?) verschluckt oder schon wieder hervorgebracht worden ist.

weiße Kugel

in Glaskasten

In der Mitten unter Glas The Head of Plato von James Lee Byars: nämlich eine weiße Kugel aus Carrara-Marmor. So mondbleich schimmert sie und philosophisch makellos, und in der Unzugänglichkeit der Vitrine macht sie sich, als hätte sie mit allem Irdischen auch ihre Schwere eingebüßt, leicht und hohl wie ein Tischtennisball.

Der zweite Raum sodann spricht auch zum empfänglichen Herze. Zum Beispiel die figurative Malerei von Norbert Prangenberg: sattbunte Bilder, mit dicken, schweren Nachtfarben so beladen, daß sie hängen wie Teppiche. Oder gegenüber an die Wand gelehnt ein großer erschlaffter Stickrahmen von Gerhard Hoehme: Wäscheleinen auf schwarzer Plastikplane (eine Leihgabe). Am Boden hingestreckt ein Rückriem-Rohr: aus dem rostigen Objekt hat der Künstler T-Stücke herausgeflext (Memento: Das T-Eisen als Konstituante des Stahlbaus!) und ins Rohrinnere gestopft.

Wie schnell ist hier ein Stündchen um, dabei hier bloß die erste Hälfte von allem Neuem versammelt. Der zweite Teil folgt Ende März. Großartiges ist nicht aufzufinden, woher denn; aber allerhand von der Sorte Kunst, über die wir unterdessen aus Gewohnheit gern und ausdauernd parlieren; allerhand von dem meditativen Flachs, mit dem wir unsere Gedankenspinnstuben beschäftigen.

Einen Katalog gibt es leider nicht; dafür aber erwägt das Museum, in der zweiten Hälfte des Jahres mit einer Loseblattsammlung anzufangen: nach und nach für jedes Objekt ein Doppelblatt. Das wird, wenn auch noch rechtzeitig eine tolle Mappe zum Sammeln herauskommt, richtig hübsch. Manfred Dworschak

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