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Die Reform kommt nicht voran

■ Am 24. Mai werden die Bezirksparlamente gewählt/ Im Hintergrund steht die Bezirksreform: Wieviel Autonomie, wieviele Stadträte, wieviele Bezirke?

Berlin. Der erste Teil des Berichts am Freitag beschrieb die Debatte um die Besetzung der bezirklichen Rathäuser nach Stimmenproporz oder Regierungskoalitionen und die Finanzierungsprobleme der Bezirke.

Erst seit kurzem läuft ein Modellversuch, vier Bezirken vom Senat Gelder »global« zuzuweisen, das diese dann eigenverantwortlich verbrauchen können. Die Vorteile dieses Verfahrens sieht der AL-Abgeordnete Köppl in dem genaueren Einsatz von Mitteln und der Verwaltungsvereinfachung. Zudem wird, nach Einschätzung des Schöneberger Bürgermeisters Barthel (SPD), ein wesentlicher Anreiz zu Einsparungen geschaffen. Der fehlt, solange die Bezirke bloße Zuwendungsempfänger sind und eingespartes Geld nicht ihnen zugute kommt, sondern automatisch wieder ins Landessäckel zurückfließt. Allerdings stößt diese Eigenverantwortlichkeit an gesetzliche Grenzen, denn rund 90 Prozent der bezirklichen Gelder werden nach juristisch festen Regeln verwendet. Dazu zählen vor allem die Sozialausgaben. Entscheidungsspielräume für die Bezirke bestehen folglich nur bei zehn Prozent der Gelder. Die Kompetenzen, darüber zu befinden, liegen nur bei den Bezirksämtern. Die Bezirksverordnetenversammlungen haben keine eigene Entscheidungsvollmacht, sie besitzen noch nicht einmal eine Kontrollfunktion. Diese liegt alleinig beim Abgeordnetenhaus.

Um Kompetenzen wird nicht nur gerangelt, wenn Geld im Spiel ist. Vertreter aller Parteien beklagen den schwerfälligen Verwaltungswasserkopf, die doppelten Entscheidungsstrukturen zwischen den Bezirksverwaltungen und den Senatsressorts. Vor allem im Baubereich führen sie zu oft jahrelangen Planungsvorläufen, bis ein Projekt endlich realisiert werden kann. Doch so einhellig die Diagnose ist, so unterschiedlich sind die Rezepturen. Bezirkspolitiker Barthel will den »immensen bürokratischen Leerlauf« dadurch abbauen, daß möglichst viele Entscheidungen in die Bezirke verlagert werden. Zumindest bei der Bauplanung will auch der liberale Abgeordnete Jürgen Biederbick den Bezirken die abschließende Kompetenz zugestehen. Der Grüne Köppl hingegen könnte sich auch vorstellen, daß die Senatsverwaltung die Planungen macht und den Bezirken ein Vetorecht eingeräumt wird. Und Liepelt von der CDU will zwar die Bebauungsplanung nicht den Bezirken wegnehmen, jedoch schlägt seine Fraktion deren Straffung und Zentralisierung vor, wenn es sich um Olympia- oder Regierungsbauten handelt.

Unterschiedlich ist auch die Rezeptur, wenn die bezirkliche Binnenstruktur durchlüftet werden soll. Statt bislang sieben bis acht will die FDP zukünftig nur »bis zu sechs« Bürgermeister und Stadträte pro Bezirk. Barthel meint gar, mit lediglich vier Amtsleitern die Geschicke eines Bezirks lenken zu können. Doch argwöhnt Köppl, daß mit einer solchen Reduzierung die kleinen Parteien von den politischen Schalthebeln ferngehalten werden sollen. Die CDU ist bislang unentschieden, wie sie sich auch zu der konfliktträchtigen Frage des Neuzuschnittes der Bezirke noch keine abschließende Meinung gebildet hat.

Folgt man den Argumenten des ehemaligen Präsidenten des Landesrechnungshofes, Ulrich Müller, so ist die Reduzierung der Zahl der Berliner Bezirke ein »längst überfälliger Nachholprozeß«. Dafür sprechen in Müllers Augen die Bilanzen. So leben zum Beispiel in Tempelhof annähernd gleich viel Einwohner wie in Tiergarten und Zehlendorf zusammen. Während letztere jedoch im Jahr 1989 von insgesammt 5.539 Bezirksbediensteten verwaltet wurden, waren es in Tempelhof nur 3.737. Aus diesem Grund hat Barthel bereits vor einem Jahr dafür plädiert, die Zahl der Bezirke von 23 auf 14 zu reduzieren — und dafür harsche Kritik geerntet. Der Plan landete in der Schublade.

Dort wird er, wie auch die anderen Strukturvorschläge, nach Barthels Einschätzung, erstmal ruhen. Zwar hat sich die Große Koalition die Reform der Verwaltung ganz oben auf die Fahnen geschrieben, doch ist der Schöneberger Bürgermeister von den bisherigen Resultaten »bitter enttäuscht«. Er habe den Eindruck, daß SPD und CDU sich gegenseitig blockieren und die unangenehmen Dinge ausklammern. Und unangenehm wird es für die Politiker allemal, wenn sie sich an die Bezirksstrukturen wagen. Ein Grund dafür ist in dem Organisationsaufbau der Parteien zu finden. Diese sind ebenfalls nach Bezirken gegliedert und haben im Laufe der Jahre entsprechende Einflußsphären herausgebildet, die sich natürlich auch in der Besetzung von Posten und Positionen niederschlagen. Diese liebgewonnen Strukturen müßten sich bei einer Bezirksreform ebenfalls ändern. Barthel weiß um die Widerstände dagegen, doch fände er einen solchen Prozeß auch für die eigene Partei hilfreich. Auch Liepelt sind solche Probleme nicht unbekannt. Für ihn steht fest, daß die Verwaltungsreform nie geschieht, wenn sie nicht nach den Wahlen im Mai angegangen wird.

Das dürfte jedoch auch vom Wahlergebnis selbst abhängen. Denn dieses entscheidet nicht nur über die Zusammensetzung der Bezirksparlamente, sondern ist auch, so Liepelt, »ein Stimmungsbild, das für die Landespolitik maßgeblich ist«. Sollten die Resultate für einen der beiden Koalitionspartner schlecht ausfallen, dürfte sich der Profilierungsdruck verstärken. Keine gute Voraussetzung für das gemeinsame Vorgehen bei dem Reformprojekt. Dieter Rulff

In der Serie »Berlin vor den Kommunalwahlen« am kommenden Freitag ein Bericht über den Bezirk Mitte.

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