Den Löwen nicht kneifen

■ Mit seiner „Strategie der Konfliktvermeidung“ stand Stolpe nicht selten im Konflikt mit der Kirchenbasis

Manfred Stolpe, 30 Jahre lang DDR-Kirchenfunktionär, wird in veröffentlichten Stasi-Lageberichten in aller Regel gelobt: Als Puffer zwischen den oppositionellen Kirchenkreisen und den staatlichen Stellen stand er immer auch im Konflikt mit der drängenden „Basis“. Drei Beispiele:

1. Als der Pfarrer Oskar Brüsewitz sich im Jahre 1978 öffentlich unter Protest verbrannte, versuchte das MfS, „jeden Versuch zurückzuweisen, die Tat Brüsewitz' gegen die DDR auszunutzen“. So berichtet es Horst Dole, langjährige zweite Hand im Staatssekretariat für Kirchenfragen der DDR, in seiner bis zur Wende streng vertraulichen Dissertation. Trotzdem gibt es Proteste; das MfS spricht von „Kampagne“.

Dole berichtet, es habe in diesem Zusammenhang die „Bitte“ Stolpes an den Staatssekretär für Kirchenfragen gegeben, „die Tätigkeit des akkreditierten ARD- Korrespondenten Lothar Löwe bei der Organisation dieser Kampagne zu unterbinden“. Zehn Tage später wurde Löwe die Akkreditierung entzogen.

2. Nach dem Massaker auf dem Tiananmen-Platz in der chinesischen Hauptstadt Peking gab es Aufregung in den Bürgerrechtsgruppen der DDR. Die Staatssicherheit versuchte, die Proteste in die geschlossenen Kirchenräume zu verbannen. „Die Anwesenheit kirchlicher Amtsträger wirkte sich positiv aus“, steht in Stasi-Lageberichten. Stolpes Name wird dabei ausdrücklich lobend erwähnt (vgl. Stasi-Dokumente Wir lieben Euch doch alle, S. 79).

3. Als im Oktober 1989 in den Wochen der Wende der Stadtjugendpfarrer in (Ost-)Berlin Augenzeugenberichte über die Polizeiübergriffe vom 7./8. Oktober sammelte, rief der Berliner SED-Mann Schabowski bei Stolpe an und bat darum, dies zu unterbinden. Schabowski mußte später dem Zentralkomitee der SED berichten, Stolpe sei wohl nicht der „richtige Mann“ gewesen... Grund: Stolpe hatte auf internen Sitzungen versucht, die Sammlung der Augenzeugenberichte zu verhindern, sich damit aber gegen die oppositionelle Kirchenszene nicht mehr durchsetzen können. K.W.