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INTERVIEWMit einem Hundertjährigen im Oldtimer

■ Ernst-Lubitsch-Straße — Eine Rundfrage der taz, Teil 2: Gunter Rometsch kutschiert Ernst Lubitsch an sein Geburtshaus

taz: Herr Rometsch — Sie wurden von der Presse schon als Stellvertreter Lubitschs auf Erden bezeichnet, so sehr steht Ihr Name für den Einsatz um die Würdigung von Ernst-Lubitsch-Filmen. In Ihrem Kino »Notausgang« laufen die Filme seit zwanzig Jahren fast ununterbrochen. Ihre Bewunderung für den Regisseur geht sogar soweit, daß Sie gefordert haben, die Wilhelm- Pieck-Straße in Berlin-Mitte in Ernst-Lubitsch-Straße umzubenennen. Wie kommen Sie darauf?

Gunter Rometsch: Nun ja, ich fände es mehr als angemessen, wenn diesem großartigen Regisseur endlich solch eine Ehre erwiesen würde. Und was läge näher, als die Straße, in der er geboren wurde und seine Jugend verbracht hatte, nach ihm zu benennen? Von hier aus nahm ja auch alles seinen Anfang.

Für Leute, denen der Name nicht so geläufig ist — wie begründen Sie ihnen gegenüber Ihr Engagement?

Na hören Sie mal — Ernst Lubitsch war schon Anfang der zwanziger Jahre eine Weltgröße. 1926 wurde er von den amerikanischen Filmkritikern zum Regisseur des Jahres gewählt — noch vor Charlie Chaplin. Seine Filme sind ja auch wirklich genial. Es bedeutet schließlich was, wenn noch heute die Zuschauer aus Sein oder Nichtsein, Lubitschs Film von 1942, in dem er in komisch-grotesker Manier gegen Hitler poltert, jubelnd herauskommen. Außerdem wurde er von den Nazis 1935 aus Deutschland ausgebürgert. Je mehr ich mich mit seiner Person beschäftige, desto größer ist die Faszination, die er auf mich hat. Schauspieler und Regiekollegen sprechen immer mit Hochachtung und Respekt von ihm. Und — mit Verlaub — wenn es auch einen Grete-Weiser-Weg gibt, dann sollte doch einem der größten deutschen Regisseure eine Straße nicht vorenthalten werden.

Vorerst scheint Ihr Umbenennungsversuch jedoch gescheitert. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat sich im Mai letzten Jahres mit 37 von 68 Stimmen für Pieck, den ersten Präsidenten der DDR, ausgesprochen. Die Straße ist somit eine der wenigen, die ihren Namen vorerst behalten darf. Momentan werden jedoch die Anwohner der Straße um Stellungnahme gebeten. Trotzdem: Sie plädieren für Lubitsch ungeachtet der Kritik, die rund um die Namensänderungen laut geworden ist. Offenbar haben Sie wenig Probleme mit dem allgemein grassierenden Straßennamenverdrängungsversuch.

Na ja. Eigentlich entstand meine Idee ja erst, nachdem überall versucht wurde, die DDR-Größen, Antifaschisten und Kommunisten vom Pfahl zu nehmen. Die Zeit paßte ja eigentlich. Und eine Ernst-Lubitsch-Straße wäre immer noch besser als eine Rückbenennung in Elsässer beziehungsweise Lothringer Straße, so wie die Pieck- Straße früher hieß. Na ja, außerdem kann Herr Kohl offensichtlich ganz schlecht mit der Pieck-Straße und ähnlichen Überbleibseln leben. Ausländischen Gästen könne er solche Namen irgendwie nicht erklären, sie seien ihm geradezu peinlich, meinte er einmal.

Das ist ja weniger ihr Problem. Vielmehr jährt sich am 29. Januar der hundertste Geburtstag Lubitschs. Finden Sie sich jetzt damit ab, ihrem großen Idol doch keinen Straßennamen bieten« zu können?

Was soll ich anderes tun? Mir ist mein Anliegen ernst — ernst wie »Ernst« Lubitsch. Aber verkniffen werde ich dabei nicht. Ich könnte jetzt z.B. keine Unterschriften für eine Ernst-Lubitsch-Straße sammeln. Das wäre auch gar nicht in seinem Sinne. Nein, das wollte er nicht...

Nein, diese Art tierischen Ernstes entspricht wohl tatsächlich nicht Lubitsch. Seine Filme hatten ja auch jede Menge (beißenden) Humor...

Richtig. Und deshalb nehme ich ihn an seinem Geburtstag in einem Oldtimer-Taxi mit in die Wilhelm- Pieck-Straße. Vielleicht schauen wir, vielleicht sogar mit seiner Tochter, auf der Tour durch Ost-Berlin an seiner alten Schule vorbei...

Wie meinen...?

Bei mir sitzt Ernst doch seit fünf Jahren im Kino — na ja, nicht er. Sein Denkmal. Das habe ich mir vor fünf Jahren machen lassen. Vor vier Jahren habe ich dann bereits angefangen, die »Geburtstagstour« zum Hundertsten vorzubereiten.

Tatsächlich?

Bei den damaligen Zeiten mußte man ja zeitig vorbauen. Aber der offizielle Filmbeauftragte war ganz angetan. Ich habe ihm natürlich nichts von der Statue erzählt. Bei der damaligen Bürokratie wär's wahrscheinlich reichlich kompliziert gewesen, mit dem Hundertjährigen durch die Mauer zu fahren...

Kann sein. Wie aber ehren Sie Lubitsch nun?

Vielleicht gibt es ja noch andere Straßen, da wäre ich flexibel. Im Grunde ist es aber viel wichtiger, wenn auch heute noch seine Filme laufen. Und das werden sie. Im Notausgang und Movimento gibt's 'ne Reihe mit 33 Filmen. Interview: Petra Brändle

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