: Stufenplan an der Wolga?
■ CDU-Abgeordneter Hornhues: Wolgarepublik nicht aktuell
Bonn (taz) — Die vom russischen Präsidenten Boris Jelzin bei seinem Bonn-Besuch im letzten November zugesagte Errichtung einer Wolgarepublik für die Rußlanddeutschen steht nach Einschätzung des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Karl- Heinz Hornhues, auf absehbare Zeit nicht auf der Tagesordnung. Nach seiner Rückkehr von Gesprächen mit dem russischen Parlamentspräsidenten Ruslan Chasbulatow sowie mit VertreterInnen der Rußlanddeutschen warnte Hornhues gestern in Bonn vor „jeglicher Form“ bundesdeutscher „Ultimaten“ gegenüber Rußland. Er plädierte dafür, sich statt dessen auf den vom russischen Nationalitätenkomitee (einer Regierungsbehörde) vorgelegten Stufenplan einzulassen. Mit deutlichem Hinweis auf Jelzin habe Chasbulatow empfohlen, sich weniger an den „emotionalen Äußerungen“ einger russischer Politiker zu orientieren als an der Gesetzeslage, berichtete Hornhues. Das im April 91 vom russischen Parlament beschlossene Rehabilitationsgesetz, in dem die Rückkehr für Deutsche zugesichert wird, sei laut Chasbulatow voll gültig. Auf Grundlage dieses Gesetzes habe das Nationalitätenkomitee (eine russische Staatsbehörde) seinen Stufenplan entwickelt. Diese sieht nach Angaben von Hornhues die Bildung zunächst eines Landkreises beziehungsweise Bezirkes zur Wiederansiedlung Rußlanddeutscher in der Nähe von Wolgograd vor. Dabei sei an die teilweise Einbeziehung eines ehemaligen „militärischen Testgeländes“ gedacht. In einem zweiten Schritt solle dieses Territorium auf der östlichen Seite der Wolga nach Norden hin ausgeweitet werden. Im Endeffekt werde das neue Siedlungsgebiet dann „Teile der ehemaligen Wolgarepublik einschließen“. Das Nationalitätenkomitee läßt laut Hornhues die Möglichkeit offen, daß dieses neue Gebiet eines Tages auch formal den Status einer Republik erhält. Dies sei jedoch abhängig von den weiteren Entwicklungen. Ein genauer Zeitpunkt lasse sich derzeit nicht voraussagen. Die Widerstände bei der russischen Bevölkerung richteten sich „weniger gegen eine Rückkehr von Deutschen“ als gegen die Forderung nach Staatlichkeit und ihre sofortige Umsetzung. Hornhues empfahl der Bundesregierung und bundesdeutschen Politikern den „breiten und intensiven Dialog“ mit der Gruppe „Wiedergeburt“ der Rußlanddeutschen, die diese Forderung erhebt. Dieses Verlangen stehe im Gegensatz zu einem „gern übersehenen“ Teil der Vereinbarung zwischen Jelzin und der Bundesregierung vom November 91, wonach die Wiederherstellung einer Wolgarepublik nicht zur Verletzung von Rechten derzeit in den betreffenden Gebieten lebender Menschen führen dürfe, betonte der CDU-Politiker.
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